The Forum

Wo konnte der kleine Junge nur sein? Langsam machte sie sich wirklich Sorgen. Dabei hatte sie ihn doch extra noch darauf hingewiesen, dass er sich schön ruhig verhalten soll. Dafür würden sie dann zusammen den Tempel anschauen gehen und den berühmten Platz der Befreiung.
Nervös blickte sie sich um. Er war wirklich nirgends zu sehen? Ob er wohl in den Tempel gegangen war? Sie ging mit eiligen Schritten zum Tempel, aber die Shakyr-Wachen verweigerten ihr den Zutritt.
"Der König befindet sich zur Zeit im Tempel. Aus Sicherheitsgründen hat niemand Zutritt."
Blöde Katze, dachte sich Thariell empört und warf ihnen böse Blicke zu.
"Ist der Tempel den schon lange gesperrt? Ich suche verzweifelt nach meinem kleinen Bruder und denke, dass er in dem Tempel sein könnte", erkundigte sie sich schliesslich, wohl wissend, dass sie mit Höflichkeit vielleicht weiter kommend könnte.
Der Shakyr-Wächter zuckte unwissend seine Achseln.

Die Propheten von Aram waren eine längst vergessen geglaubte Berufsgruppe, welche aber mit der Wiedergeburt des Planeten wieder zurück gekommen waren. Wie es sich für die Aramer gehörte, hatten sie das Wissen und die Geheimnisse um die Zukunftsdeutung bewahrt und wiederbelebt.
Der Tempel war sehr weitläufig und bestand, neben dem zentralen Hauptheiligtum mit den Artefakten, aus mehreren Gebäuden. In einem dieser Nebengebäude, umgeben von einem farbenprächtigen Garten, lebten die Propheten, welche zuweilen auch die Fragen der einfachen Bevölkerung beantworteten. Der Umgang mit ihnen war recht schwierig. Um in die Zukunft blicken zu können, musste man sein Bewusstsein öffnen, derartig weit öffnen, dass man es nicht selten auch verlieren oder es zersplittern konnte und so war der Grad zwischen Prophezeiung und Wahnsinn ein äusserst schmaler. Auch für die Zuhörer der Prophezeiung.
Nyrol seufzte etwas. Bis vor wenigen Augenblicke hatte er sich hauptsächlich um ein Flüchtlingsproblem gesorgt, dass Aram je länger je mehr belastete. Der Bürgerkrieg der Shakyr, wie er zumindest offiziell hiess, belastete ihn und seine Heimat wirklich sehr. Auch war es natürlich, neben all den unschuldigen Opfern dieses Kriegs, besorgniserregend, dass die Shakyr ihr Relikt, ihren Anteil der Macht, selbst verwalteten. Wer konnte schon ahnen, in welche Hände ihr Relikt durch die Wirren des Kriegs fallen könnte? Aber andererseits waren die Relikte auch gerade aus diesem Grund getrennt, so dass niemand im Universum diese Macht für sich beanspruchen konnte oder durch irgendwelche Intrigen an sie gelangen konnte. Für den Frieden gab es nichts besseres, als geteilte Macht.
Die beiden betraten angespannt die Halle der Propheten und eine junge Aramerin kam auf sie zu.
"Aaah!! Ich habe euch erwartet, ja erwartet habe ich auch wie der morgendliche Sonnenaufgang, das habe ich!"

Lex lachte leise bei dieser Ankündigung. "Wäre auch Neu wenn ihr nichts gewusst hättet." Die Junge Frau sah ihn freudig an und verneigte sich dann. "Was habt ihr uns zu berichten?" meinte der Telirama schließlich ernst. Die Amarerin sah plötzlich ernst drein und schilderte die Visionen der anderen Propheten. Die Bilder waren düster und erzählten von Krieg, Schmerz, Opfer und Leid. Sie sprachen von Verzweiflung, Blut und Vernichtung. Die Worte der jungen Prophetin erzählten von einen Krieg, der so gigantisch sein würde, dass keine Mächte dies verhindern könnte. Lex und Nyrol tauschten besorgte Blicke aus, auch wenn der König durch den leeren und blinden Blick des Fuchses irritiert war. Sah er ohne zu sehen?
"Ihr müsste das vierte Fragment des Amulettes finden." Darauf endete die Erzählung der jungen Frau. Das Vierte?! Der König sah verwirrt drein. Wie das vierte? Waren es nicht nur drei?

Thariell versuchte höfflich die Wache zu überzeugen sie durch zu lassen aber nichts war zu machen. Sie würde nicht in den Tempel kommen. Sie wollte gerade eine Beleidigung loslassen, als sie einen Schrei hörte.

"Das vierte, verlorene Fragment der Macht", wiederholte die Frau, wobei ihr Blick äusserst leer wurde.
Nyrol konnte sich darauf keinen Reim machen. Vor gar nicht all zu langer Zeit war das Kronosamulett, auch Amulett der Zeiten genannt, vereinigt worden und ihm war nicht bekannt, dass dafür ein viertes Fragment von Nöten gewesen war. Tatsächlich hatte sich ein uraltes Geheimnis offenbart, dass eng mit dem Schicksal des Amulettes verzahnt war. Die Arabus, die Shakyr und die Telirama waren einst ein Volk gewesen, dass sich aber gespalten hatte. Jedes der Völker hütete während ganzen Epochen eines der Fragmente, nicht wissend, welche Macht mit dem vereinigten Amulett von ihnen beschützt wurde und ebenfalls nicht mehr wissend, was die uralte Verbindung zwischen den Völkern gewesen war.
Gäbe es nun ein viertes Fragment, so stellte sich natürlich die Frage, in wie fern es das Amulett beeinflusste und wo es lag. Die Zeiten hatten sich geändert und die Spuren der Vergangenheit waren trotz ihrer erneuten Popularität nur schwer zu deuten und um einiges schwieriger überhaupt zu entdecken.
In diesem Moment schrie die junge Frau auf und riss Nyrol aus seinen Gedanken. Ein Pfeil hatte ihre Brust durchbohrt.