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 Betreff des Beitrags: Abbaddon II
BeitragVerfasst: Mo 9. Aug 2010, 22:01 
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Geburt einer Galaxie
Geburt einer Galaxie

Registriert: So 8. Aug 2010, 21:58
Beiträge: 48
Anmerkung der Autorin: In dieser Geschichte kommen teilweise genau beschriebene brutale oder anstößige Szenen vor, sollte jemand etwas gegen so eine Art Text haben bitte ich ihn darum sich das hier nicht an zu tun sondern sich ohne kritischen Kommentar etwas anderem zuzuwenden.
Danke.


Bild

"Wenn du deine Augen verschließt, dich der Wahrheit entsagst und das Offensichtliche ablehnst, erst dann bist du am Ziel deiner Reise angekommen. "
- Unbekannt-


-~*~-

Prolog: Galba - Larve
(Neues Leben in alter Haut)


Der junge Herr am Tresen wandte sich überrascht und schläfrig zu mir um als ich die Tür mit Schwung öffnete, so dass sie geräuschvoll gegen eine mit Holz verkleidete Wand knallte. Seine Augen weiteten sich staunend und er umklammerte die Tischkante um in meinem Schatten nicht noch weiter zu schrumpfen. Bei meiner riesenhaften, mit einem schwarzen Mantel und einer Kapuze vermummten Gestalt war mein Anblick für viele im ersten Moment ein Grund zu fürchten, was mir zugegebenermaßen in den letzten drei Monaten nicht ungelegen gekommen war. Von meinem Gesicht war nur der Mund zu sehen der sich sogleich zu einem arroganten Lächeln verzog während ich die Tür hinter mir schloss und die kalte Nacht aus dem spärlich beleuchteten, von einem prasselnden Kaminfeuer gewärmten Raum aussperrte. Der junge Herr rang um Worte, bekam allerdings nichts als ein verängstigtes stammeln heraus.
"Ich möchte hier über Nacht bleiben. Ist noch ein Zimmer frei?", fragte ich mit gesenkter Stimme um meinem Auftreten etwas von seiner angst einflößenden Aura zu nehmen. Der Besitzer schluckte schwer, nahm all seinen Mut zusammen und räusperte sich.
"Ja mein Herr, wir haben noch ein Zimmer frei. Allerdings ist die Miete dafür sehr hoch, da es unser größtes-"
Noch bevor er den Satz beenden konnte hob ich den Arm und ließ einen schweren Lederbeutel, prall gefüllt mit Münzen, aus meiner Hand auf den Tisch fallen. Das Klimpern des Geldes sorgte dafür dass meinem Gegenüber erneut wortlos der Mund offen stand und mein Lächeln wurde eine Spur spöttischer.
"Nun? Ich denke dass sollte genügen."
Der junge Herr schnappte sich den Geldbeutel und als er sich von der Echtheit des Inhalts überzeugt hatte führte er mich rasch eine Treppe hinauf in einen dunklen Flur. Mehrere Zimmertüren ließen wir hinter uns bis mein Begleiter ganz am Ende des Ganges stoppte und die letzte Tür so leise wie möglich mit einem metallenen Schlüssel öffnete. Unwirsch nahm ich ihn an mich und schob meinen Gastgeber zu Seite.
"Ich wünsche mir dass ihr mir zum Morgenmahl ein anständiges Stück Wild beschafft!" Ohne den verdutzten Herrn zu Wort kommen zu lassen schloss ich meine Zimmertür und drehte den dazugehörigen Schlüssel zweimal herum.
Der Raum war größer als ich es von manchen Gästezimmern gewohnt war und dass Bett fühlte sich weich an und duftete nach Seife. Ich ließ meinen schwarzen Mantel mit dem leuchtend gelben Pelzbesatz von meinen breiten Schultern auf den Boden gleiten. Die Kapuze streifte ich ebenfalls ab. Der Tür gegenüber stand ein massiver Tisch aus dunklem Holz direkt unter einem kleinen Fenster durch dass ich in die scheinbar alles verschlingende Schwärze sehen konnte. Meine ernst gewordene Mine spiegelte sich in dem durchsichtigen Glas wieder und die zwei schwarzen Löcher die meine Augen ersetzten stachen deutlich aus der weißen Haut heraus. Nichtmal der Mond vermochte es diese Abgründe aus dämonischer Finsternis zu erleuchten. Einzig zwei gelbe, schwach leuchtende Flecke schafften es den Wall zu durchbrechen. Eben noch von mächtiger Statur ließ ich mich jetzt schwach und kraftlos auf mein Nachtlager sinken. Meine Kehle war trocken, meine Hände und meine Beine schmerzten von dem viel zu langen Ritt auf dem schwarzen Hengst der mir nun schon seid langer Zeit gute Dienste geleistet hatte auf meiner Reise nach nirgendwo. Ziellos und planlos ritt ich quer durch England und versuchte dabei so gut wie es nur ging der menschlichen Zivilisation zu entgehen, aus dem Grund dass ich ein Dämon war dessen Existenz ihnen mit Sicherheit ein Dorn im Auge war. Nur eine Person in meinem Leben hatte bisher akzeptieren können was ich war...und es hatte ihr das Leben gekostet. Ich versuchte den Gedanken zu verdrängen. Jetzt da ich soweit von dieser Erinnerung entfernt war durfte ich sie nicht wieder in mich eindringen lassen.
Hatte ich einmal einen Ort gefunden der mir Ruhe und Einsamkeit bot, so musste aber auch diesen bald wieder verlassen, aus der Angst heraus dass ich dort draußen in der Fremde mich selbst verlor, verhungerte oder verdurstete und einfach nie wieder aufwachen würde. So würde meine Reise wohl endlos sein...so dachte ich zumindest. Noch immer an die Welt der Menschen gebunden sollte ich bald erkennen, was für wertvolle Freunde Gottes Feinde mir sein konnten, wenn man sie im Zentrum des Gegners suchte. Denn unter der Masse der Verbündeten gibt es einen ehrlichen Anhänger, tausende Heuchler und zehntausende Verräter.
Auch diese Erfahrung sollte ich bald machen.

+++

Überrascht blinzelte ich die Sonne aus meinen halb geöffneten 'Augen'. Erst nach einem Moment in dem ich nichts anderes tat als zu versuchen mich an den gestrigen Abend zu erinnern, begriff ich dass ich wohl über meinen düsteren Gedanken eingeschlafen sein musste. Ich setzte mich vorsichtig auf und fuhr mir mit der linken, kalten Hand über meinen kahlen Schädel. Die Wärme von draußen hatte auch mein Zimmer aufgeheizt, doch hätte bibbernde Winterluft für mich nicht unangenehmer sein können. Dieses Licht auf meiner Haut fühlte sich fremd und abweisend an. Ich zog mich eilig an. Bis auf meinen Mantel der früher einem fanatischem hammeritischen Hohepriester gehörte, eine Kapuze die nur dem Unbemerkt-bleiben diente und eine mehr oder weniger große Summe Geld hatte ich nicht viel bei mir.
Oh, doch....fest an meinem Gürtel geschnallt hatte ich eine Leinentasche. Der Inhalt hatte keinen materiellen, aber dafür einen ganz besonderen persönlichen Wert...
Als ich fertig war klopfte jemand zögernd und sachte gegen meine Zimmertür. Durch den schmalen Spalt den ich sie öffnete konnte ich gerade so das Gesicht des Wirtes von Gestern erkennen dass mich voller Ehrfurcht ansah.
"Wir haben ein junges Reh für euch gejagt, wie ihr es wolltet. Der Koch wird es in kurzer Zeit für euch fein zubereitet haben." Der junge Mann zuckte zusammen als ich mir unbewusst mit der spitzen Zunge über die blassen Lippen fuhr. Mit kalter und herrschaftlicher Stimme erwiderte ich:"Das ist nicht nötig. Zieht dem Tier das Fell ab und bringt es auf mein Zimmer." Ein fragender Blick sah mir entgegen. Ich zog meine Kapuze tiefer ins Gesicht, atmete schwer ein.
"Bist du taub? Ich habe großzügig für diese Bruchbude und meine Verpflegung bezahlt, also erfüllt mir meinen Wunsch!",befahl ich in einem lauten, Ton der keine Widerrede duldete und warf die Tür geräuschvoll zu. Hinter ihr hörte ich noch eilige Schritte und die Stimme des Wirtes, der dem Koch mein Anliegen überbrachte .Einen Moment stand ich stumm da und wartete ab bis die Geräusche im Haus verklungen waren, aus der unbegründeten Ahnung heraus jemand würde mich beobachten. In der Stille die mich umgab konnte ich schon fast hören wie sich meine ernsten Züge zu einem spöttischen, bösartigen Grinsen bogen.
"Es ist Fressenszeit, Dämon.",flüsterte ich zu mir selbst. Draußen schoben sich die Wolken vor die Sonne und verbannten so ihr brennendes Licht von meinem Antlitz.
Als man mir mein Essen brachte hatte ich die Vorhänge an dem kleinen Fenster zugezogen und mich in die hinterste Ecke auf mein Bett gesetzt. Mein "Danke" drang nur sehr schwach unter der Kapuze hervor als der Gastwirt das schwere Tablett auf dem Tisch abstellte . Eilig verabschiedete er sich wieder aus dem Zimmer, ich konnte die Angst spüren die ihm im Nacken saß. Mein makaberer Wunsch schien ihn noch weiter in seiner heimlichen Annahme bestätigt zu haben, dass mit mir irgendetwas ganz und gar nicht stimmen konnte. Lange wollte ich ihn nicht mehr verstören, ich hatte mir vorgenommen gleich nach meinem Mahl die Reise fort zusetzten. Langsam wandte ich mich zu dem Tisch um auf dem mein Mahl angerichtet worden war. Wie gewünscht hatte der Koch nur das Fell entfernt. Das Besteck das man mir auf dem Tablett dazu gelegt hatte schob ich beiseite, die Ärmel meines Mantels nach oben.
Vorsichtig, fast zärtlich, strich ich mit den langen Fingern über das weiche Fleisch, Blut drang aus der von der Jagd zeugenden Wunde heraus und rann an dem toten Tier herunter. Ich beugte mich mit dem Kopf tief über das Rinnsal und öffnete langsam den Mund.
Trotz des Ekels der sich in mir regte, trotz den menschlichen Regungen die sich jedes mal wenn ich den Dämon in mir nährte dagegen aufbäumten musste ich zugeben dass ich Geschmack an dem Tod gefunden hatte. Meine spitze Zunge leckte solange den roten Saft von dem nackten Fleisch bis mich die mörderische Kraft des Dämons völlig kontrollierte. Meine beiden Hände bohrten sich mit den langen Fingern so tief in den Körper wie die Krallen eines Raubtiers bis sie die wabbligen, weichen Gedärme ertasteten.
Sie waren immer noch warm.
Meine Zähne gruben sich in das Wild bis zu einem Knochen den ich mit einem Ruck zur Seite heraus brach wie einen morschen Ast. Ich stürzte mich auf die Innereien wie ein halbverhungerter Bluthund, genoss dabei das Gefühl des heißen Blutes das meine trockene Kehle herunter floss wie Öl und das Zerfleischen und Zerfetzten meines Opfers. Immer wieder fuhr ich mir gierig mit der Zunge über die Lippen und die Zähne um auch noch den letzten Tropfen von ihnen zu lecken. Meine blutdurchtränkten Hände stopften mir die Brocken des mittlerweile völlig zerstückelten, zermatschten Kadavers in den Mund, die blanken Knochen fielen klappernd zurück auf das Tablett. Der Geifer tropfte mir aus dem Mund auf den Boden, ein Gemisch aus Speichel und Blut dass in langen, dünnen Fäden von meinem Kinn hing. Ich stützte mich mit rasendem Herzschlag an der Tischkante ab und versuchte wieder langsam und regelmäßig zu atmen.
"Du hattest genug.",krächzte ich aus meinem wunden Rachen heraus."Das muss reichen!". Auch wenn ich ernsthaft daran zweifelte dass die dämonische Seite in mir sich wegen meiner Bitte zurückzog war ich doch erfreut als mein zweites Ich zur Ruhe kam. Das trockene Gefühl in der Kehle, der Drang nach Blut und der Hunger nach Fleisch legten sich. Vorsichtig machte ich einen Schritt von dem blutverschmierten Tisch mit dem Tablett weg, das bis auf wenige Knochen und Fetzen völlig geleert war. Der Boden war ebenfalls besudelt und ich wischte mit dem weißen, sauberen Betttuch solange auf dem Holzboden und der Tischplatte herum bis die gröbsten Spuren beseitigt waren. Auch die Hände wischte ich mir sorgfältig ab. Danach stopfte ich den verdreckten Stoffballen unter das Bett wo man ihn nicht auf Anhieb finden konnte.
Ich versuchte meine Spuren so gut es ging zu verwischen, auch wenn mein Opfer diesmal nur ein Tier gewesen war. Ich hatte auch schon Menschen verschwinden lassen...und war nicht minder skrupellos mit ihnen umgegangen. Ich zog die Vorhänge zurück und öffnete das Fenster. Sogleich wandte ich mich wieder ab und schloss die Augen. Es kam nicht oft vor dass der Dämon in mir nach Nahrung rief, doch in letzter Zeit häufte es sich. Und jedes mal fühlte ich mich danach verändert, als würde mit jedem Lebewesen dass ich mir einverleibte etwas in meinem Kopf hinzukommen. Eine Erinnerung...Träume...Gedanken...ein Gefühl?
Ich hielt mir den Kopf. Als ich zu Boden sah wurde mir schwarz vor Augen.
Was war das nur...?
Da plötzlich schreckte ich hoch, wirbelte herum, suchte mit meinem Blick das Zimmer ab. Irgendetwas sagte mir dass es Zeit war zu gehen, und das auf schnellsten Wege. Ich wusste nicht ob es der dämonische Instinkt in mir war, aber man konnte sich auf dieses warnende Gefühl verlassen, das spürte ich.
Ich nahm den Schlüssel und verriegelte damit mein Zimmer von außen. Dann ließ ich ihn unter meinen Mantel gleiten und eilte den Gang entlang, die Treppe herunter, am Tresen vorbei, raus an die Stelle an der ich meinen Rappen angebunden hatte ohne auch nur einem einzigen Menschen zu begegnen. Ich stieg gekonnt in den Sattel. In der Ferne konnte ich das Schlagen einer Axt vernehmen. Ich führte mein Reittier in einem großzügigen Bogen um das Gasthaus herum bis ich am Rand des Waldes durch den ich am gestrigen Abend her geritten war den Gastwirt beim Feuerholzschlagen beobachten konnte. Es schien als hätte er mich noch nicht bemerkt.
Einigermaßen beruhigt von der Tatsache dass scheinbar alles in Ordnung war wollte ich meinen Rappen wieder auf den normalen Weg führen um in eine andere Richtung weiter zu reiten. Doch wieder warnte mich mein Gefühl und blockierte jegliche Bewegung meines Körpers.
Meine Hände umklammerten die Zügel wie zwei bewegungslose Eisengriffe und mein Blick war fest auf den Weg gerichtet, auf dem ein großer Schatten daher getrottet kam. Es war eine schmale, fast schon kindlich-zierlich wirkende Gestalt die auf einem Koloss von einem Stier ritt, auch wenn er sich von seiner gewaltigen Größe und seiner monströßen Aura eindeutig von seinen Artgenossen unterschied. Der Reiter trug einen schmucklosen schwarzen Helm der das gesamte Gesicht verdeckte und ich war mir nicht sicher wohin der Blick des Besitzers wanderte als sein Ross plötzlich inne hielt und laut schnaubend den wuchtigen Kopf zur Seite warf. Die zwei mächtigen Hörner ragten wie gigantische Waffen neben seinen Ohren aus dem Kopf heraus und konnten mit Sicherheit ganze Bäume umstoßen. Ich ließ mein Pferd einige Schritte ins Dickicht machen und verfolgte das unheimliche Paar bis zu der Stelle an der der Gastwirt weiter sein Holz zerkleinerte. Dieser wandte sich überrascht um und sah angstvoll zu dem Reiter hinauf nachdem er beim Anblick des Stiers schon einen erschrockenen und eiligen Schritt zurück gemacht hatte. Schnaubend fixierte das Tier den Menschen der so viel kleiner war als er und scharrte mit den fast schon klauenartig verkrümmten Hufen in der trockenen Erde. Ich konnte nur sehen wie der Wirt die Lippen bewegte, aber nicht verstehen was er sagte, dafür war ich wohl zu weit weg. Allerdings könnte es auch sein dass ihm aus lauter Furcht die Worte im Halse stecken geblieben waren.
Mein Körper erwachte urplötzlich aus seiner Starre und ich beschloss mich davon zu machen bevor diese unheimliche Gestalt sich von seinem Gesprächspartner loseisen konnte. Bei ihrem Anblick wurde mir unangenehm mulmig zu Mute.
Ich ließ den Rappen eine vorsichtige Drehung vollführen und war kaum zwei Meter getrabt, da hörte ich das vertraute Geräusch von berstenden Knochen und dem dumpfen Schlag eines toten Körpers der auf den Boden fiel wie ein nasser Sack, so laut als hätte ich selbst daneben gestanden. Überascht und erschrocken warf ich einen Blick über die Schulter. Bei dem Anblick der sich mir bot lief es mir eiskalt den Rücken herunter. Der Wirt hatte wohl noch gesprochen als die kalte Metallspitze eines Pfeils seinen Kopf durchbohrt hatte und im Bruchteil einer Sekunde sein Leben enden ließ, denn sein Mund war seltsam verzerrt und weit geöffnet, als wäre er mit dem letzten Atemzug zu Eis erstarrt.
Es war seltsam, so viele Menschen hatte ich schon sterben sehen aber diese Szene beschwörte einen Ekel in mir herauf den ich nur noch schwach aus weit entfernten Zeiten kannte. Der schwarze Reiter stieg von seinem Stier ab und zog den Pfeil mit einem Ruck wieder heraus. Eine undefinierbare blutige Masse hing in Fetzen von den scharfen Kanten der Metallspitze herunter und schimmerten seltsam in der Morgensonne. Die Augen weit aufgerissen gab ich mir endlich einen Ruck, richtete den Blick wieder nach vorn und ritt los.
Ich ritt so schnell als wäre der Teufel hinter mir her und so schnell es mir mein Rappen erlaubte, kein Blick zurück, keine Sekunde verschwenden, weg, weg von diesem unheimlichen Mörder. Äste peitschten mir ins Gesicht und streiften meinen Körper, verhedderten sich in meinem schwarzen Mantel und dem Pelz, rissen mir die Kapuze herunter. Ich hörte das reißen von Stoff und das schnelle, aufgeregte Klopfen in meiner Brust. Als ich es endlich irgendwie geschafft hatte mein Reittier auf einen festen Pfad zu führen ließ ich es noch einen Moment lang traben, dann zügelte ich es. Erst jetzt warf ich noch einmal einen Blick über meine Schulter. Wer auch immer diese Gestalt gewesen war, ich hoffte inständig dass sie mich nicht gesehen und die Verfolgung aufgenommen hatte. Mit meinen Händen wischte ich mir kalten Schweiß vom Gesicht und vom Hals, Zupfte mir einzelne Blätter aus dem Mantel und zog mir die Kapuze wieder tief über die Augen.
Diese Begegnung hatte mich zugegebenermaßen etwas aus dem Konzept gebracht.
Ich zuckte heftig zusammen als ich plötzlich nahendes Hufgeklapper wahrnahm. Ich sah mich in beiden Wegrichtungen um und stellte erleichtert fest dass sich meine Befürchtung nicht erfüllen sollte. Von Norden preschten sie heran, drei edel gekleidete Adlige auf ihren kräftigen Hengsten mit ebenso edlem Geschirr. Da keiner von den Herren trotz meiner doch recht ersichtlichen Präsenz sein Tier zügelte ritt ich eilig an den Rand. Dem Gröhlen und dem Duft den sie beim vorbei rasen verbreiteten nach waren sie wohl mehr als angetrunken. Verächtlich sah ich dem laut lachenden Trio hinterher. Man mochte es altmodisch oder eine Marotte aus meinem Priesterleben nennen, aber Leute die sich das Leben schönsaufen mussten hatten noch nie zu meinem Freundeskreis gehört. Zugegeben...momentan gab es niemanden in diesem Kreis, und ich glaubte nicht daran dass es sich so schnell ändern würde.
Grübelnd sah ich in die Richtung aus der die drei gekommen waren. Ich konnte Rauch aufsteigen sehen, in der Ferne zog sich eine mächtige Stadtmauer in die Höhe. In südlicher Richtung dagegen lagen weite Ebenen, auf der einen Seite der Wald, auf der anderen ein breites Kornfeld dass reiche Früchte trug. Ich musste an den schwarzen Reiter denken und schallte mich einen Moment später selber einen Narren weil ich mir von so einer traurigen Menschengestalt und seinem übergroßen Zuchtochsen so etwas wie Angst einjagen ließ. Ich war ein Dämon, man fürchtete mich, ich war für viele die Personifikation des Todes!
Und doch...
Zögernd sah ich erneut in Richtung Stadt. Ich könnte dort untertauchen bis ich mir sicher sein konnte dass ich nicht verfolgt wurde. Außerdem wäre es sicherlich nicht dumm für die nächste Reise ein paar Vorräte zu besorgen, bevor ich mich wieder kopflos ins Nirgendwo verirrte. Langsam setzte ich mein Pferd in Bewegung.
Die Gebäude und die Mauer wirkten bereits aus der Ferne riesenhaft, viel größer als die in meiner Heimatstadt. Wo ich wohl gelandet war?
Am Eingangstor standen drei Soldaten in glänzender Rüstung, jeder mit einem Speer bewaffnet der sogar mich um einiges überragte. Im Schatten der größten Mauer die ich jemals gesehen hatten trieben sie von jedem der hinein wollte eine Art Pfand ein für die Einreise. Auch mein Pferd hielt man an. Der Soldat musterte mich skeptisch, murmelte etwas von einer eingebildeten Riesenbohnenstange und forderte mich dann lauter dazu auf zu bezahlen. Um seine Bitte zu erfüllen und seine Vermutung zu bestätigen warf ich ihm das Säckchen mit dem Geld direkt vor die Hufe meines Pferdes und ein spöttisches Lächeln umspielte meine Lippen.
"Ach herrje, wie ungeschickt von mir."
Der Soldat sah mich erst fragend an und bückte sich nach dem Bündel. Genau in diesem Moment gab ich meinem Rappen die Sporen und der Herr stolperte erschrocken einige Meter zurück und ließ einen überraschten Ausruf laut werden. Das Geldsäckchen öffnete sich und die einzelnen Münzen rollten unter dem Gelächter der beiden anderen Soldaten in allen Richtungen herum. Nach ein paar Metern ließ ich mein Pferd langsam traben, einerseits um niemanden um zureiten denn die Straße unmittelbar am Eingang war dicht bewandert, andererseits um nochmal einen amüsierten Blick nach hinten zu werfen. Es war ein wunderbares Gefühl die Leute mit Füßen zu treten, besonders wenn mit einem selbst im vorherigen Leben nichts anderes als das gemacht wurde. Mit einem erhabenen Gefühl blickte ich nach vorne.
Ich hatte mir geschworen ein neues Leben zu beginnen, und ich glaubte genau zu spüren dass ich den richtigen Weg dafür einschlug...
Wie eine Larve die sich in Fäden hüllt um irgendwann in voller Größe aus ihnen hervor zu brechen.


"Wenn du zu lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein." -Friedrich Nietzsche
http://www.sabaku-gallerys.de.tl
http://www.youtube.com/user/Sablexful


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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: Mo 9. Aug 2010, 22:01 


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 Betreff des Beitrags: Re: Abbaddon II
BeitragVerfasst: Fr 13. Aug 2010, 15:14 
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Registriert: So 8. Aug 2010, 21:58
Beiträge: 48
Kapitel 1: Pupiparie - Puppe
(Ein ganz besonderer Gentleman)



Wenn man 3 Monate in einer Welt verbrachte die nichts mehr zu bieten hatte als das einsame Heulen des Windes vergaß man leicht das alltägliche lebendige Treiben der Stadt. Tausende Leute waren auf den Straßen unterwegs und Marktschreier sprachen mit heißeren Stimmen zum Volk. Nichts schien hier still zu stehen, alles war beschäftigt, wanderte und wuselte als gäbe es kein Morgen mehr, wie die Einzelteile einer mächtigen Maschine, Zahnrad für Zahnrad, Schraube für Schraube. Mägde, Bauern, Soldaten, Kinder, Tiere, bunte Vögel und so manche zwielichte Gestalt. Ich erntete nur wenige schräge Blicke, von Schrecken oder Misstrauen war allerdings auch in diesen nichts zu lesen. Es beruhigte mich dass ich mich so gut ins Bild fügte, mein Plan schien tatsächlich auf zu gehen. Ich sah mich aufmerksam nach einem Gasthaus um in dem ich die Nacht verbringen und mein Pferd verwahren lassen konnte, denn es war sehr umständlich sich mit vier Hufen durch eine Menschenmenge zu schlängeln ohne dabei in Gefahr zu laufen jemanden mit ihnen zu zertrampeln.
Und das war eigentlich nicht dass womit ich hier Aufsehen erregen wollte.
Ehrlich gesagt wäre ich am liebsten komplett unsichtbar gewesen, davon war ich mit meiner Größe und meinem Auftreten allerdings so weit entfernt wie mein alter Meister Cain von Gnade und Hochmut...also verdammt weit.
Bald traf der Weg auf eine gepflasterte Straße und einen großen Platz, für Markttage wie die Stände verrieten. Alles war umschlossen von großen und auch prächtigen Bauten die mit verschnörkelten Verzierungen geschmückt waren. Hier boten alle ihre Waren feil, Gemüse und Früchte, teure Gewürze und Stoffe. Der Tisch des Geldwechslers wurde von vielen Leuten belagert, hauptsächlich Männer, die ihr Geld umtauschen wollten. Hier auf dem breiten Platz war das Gedränge bei weiten nicht so groß wie auf dem schmalen Eingangspfad und man konnte die Lage besser überblicken. Ich las die verschiedenen Schilder die über den Eingangstüren der Gebäude angebracht worden waren.
Ein Schneider....ein Schmied....ein Pub...ein...Freudenhaus. In einer kleinen, dunklen Seitengasse standen drei abgewrackte Weibsbilder in Kleidern mit viel zu weiten Ausschnitt und winkten mir zu. Eine kleine, rothaarige mit Pferdegesicht und Sommersprossen die von dem ganzen Hurenpack noch am frischesten schien, beugte sich vor um die "Ware" zu präsentieren. Ich musste zugeben, ich war der Sache nicht ganz abgeneigt. Dummerweise schien es mir gerade nicht der richtige Zeitpunkt. Später vielleicht...
Dann endlich fand ich ein Gasthaus.
"Corvus & Noctuas Tavern" schien für mich angemessen zu sein. Das Gebäude hatte drei Stockwerke, im untersten befand sich eine kleine Taverne, in den zwei oberen die Zimmer für die Kundschaft. Die beiden Besitzer des Etablissements erschienen mir auf den ersten Blick so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Noctuas war ein älterer Herr mit einem weisen und freundlichen Gesicht, die Augenbrauen waren lange silbrige Linien die sich bis zu den Ohren zogen. Sein kurzes, ergrautes Haar war nach hinten gekämmt und gab ihn in Kombination mit seinem weiten Mantel das Aussehen eines Adelsmannes der völlig zufrieden war mit sich und der Welt. Er versprach mir ein Zimmer für mich zu reservieren und ließ Corvus rufen um mein Pferd in einen Stall führen zu lassen. Bei ihm handelte es sich um einen muskulösen, hochgewachsenen jungen Mann dessen schwarzes, drahtiges Haar ihm ins kantige Gesicht fiel. Das einzige was davon noch deutlich zu erkennen war, war die eckige Hakennase. Ich verabschiedete mich eilig wieder, ließ allerdings eine beachtliche Menge Geld und meinen Rappen zurück. Ich würde erst Abends wieder kommen und bis dahin die Stadt erkunden. Vielleicht konnte ich ein paar nützliche Dinge für meine weitere Reise erwerben, vorausgesetzt nicht alles hier kostete soviel wie eine Nacht in "C & Ns Tavern".
Ich blieb einen Moment vor der Schmiede stehen und betrachtete durch die offene Tür wie ein längliches Stück Eisen zu einer ansehnlichen Klinge geformt wurde. Wenn ich Näher darüber nachdachte wäre eine Waffe so ein erwähntes nützliches Ding, denn ich durfte mich vor allem hier unter Menschen nicht nur auf meine dämonischen Kräfte verlassen. Ich war mir sicher dass selbst die abstrakteste Gestalt draußen auf der Straße es nicht mit einem 6-armigen 2-Meterriesen ohne Augen aufnehmen konnte. Für mich wäre selbst die Monstershow in einem Zirkus kein geeigneter Ort. Ein Herr mit einem blitzenden Schwert jedoch konnte unauffällig und in manchen Situationen gleichzeitig überzeugend sein.
Ich hörte hinter mir ein Räuspern.
Mit einem gewohnt gelangweilt-arroganten Blick wandte ich mich um. Aus Arroganz wurde einen Moment später Entsetzten. Vor mir standen drei rot gekleidete Männer, einer davon in der Gewandung eines hammeritischen Priesters, die anderen beiden in der Ausstattung einer hammeritischen Leibgarde. Einer von ihnen sprach mich an.
"Würdet ihr bitte zur Seite gehen mein Herr? Wir müssen in die Schmiede."
Ich wagte es nicht weiter auf zusehen und senkte den Blick. Ich murmelte ein "Selbstverständlich" und eilte in irgendeine Richtung davon. Ich sah aus den Augenwinkeln wie sich die drei noch einen Moment verwundert nach mir umsahen und dann durch den Eingang in die Schmiede verschwanden.
Hammeriten. Hier in der Stadt. Sie suchten mich. Sie hatten mich gefunden.
Ich rannte beinahe eine schwer beladene Magd um die erschrocken quiekte als ich genau vor ihr um die Ecke kam und fast ihren Trog mit Wasser fallen ließ. Das wütende Keifen dass sie mir noch hinterher schickte ließ mich nicht langsamer werden.
Nein, das war Unsinn. Hätten sie nach mir gesucht, hätten sie mich nicht gerade so einfach gehen lassen. Oder hatten sie mich nicht erkannt?
Meine Gedanken liefen Amok, so wie vorhin als ich dem schwarzen Reiter begegnet war.
Ich versuchte eine harmlosere Erklärungen für das Auftreten meiner ehemaligen Brüder zu finden.
Nach einer Weile des Umherirrens entdeckte ich eine menschenleere, schmale Gasse zwischen den zwei hochtrabend wirkenden Behausungen eines Juweliers und eines Bekleidungsgeschäfts speziell für den weiblichen Adel.
Ich wurde langsamer und stützte mich während des Gehens mit laut pochendem Herzen an der Wand ab.
Wie dumm von mir. Natürlich gab es auch außerhalb meiner Heimatstadt Anhänger des hammeritischen Glaubens. Nur wussten sie eben noch nichts von mir. Ich konnte mir nicht einreden dass man Cains Tod einfach tatenlos hinnehmen würde. Man würde mich jagen, wie ein dreckiges Tier ohne Daseinsberechtigung.
In mir stiegen die Bilder der blutgefüllten Kathedrale hoch, der Duft und der Geschmack...die wunderschön trapierte Leiche meines Meisters direkt zu den Füßen des Erbauers der väterlich die Arme öffnete um ihn in eine vielleicht bessere Welt zu führen, jenseits des Todes. An seiner Seite die Verräterin, Eva, die giftige Schlange in meinem und Tineoideas Paradies in dem wir ewig hätten leben, ewig hätten zusammen sein können. Etwas in mir appelierte an meinen gesunden dämonischen Verstand nicht weiter im Vergangenen zu wühlen. Es flüsterte mit einer dunklen, grollenden Stimme, direkt aus meinem Herzen heraus und ich legte die Hände auf die Ohren unter der schweren Kapuze um alle Geräusche aus zusperren die diese Stimme verfälschten. Sinnlose Phrasen, eine rituelle Formel...ein Lied in einer fremden Sprache? Meine Panik flaute ab und ich wurde ruhiger. Einen Moment lang hielt ich sogar die Luft an um den Tönen zu lauschen die aus meinen tiefsten Inneren drangen. Ich schloss die Augen und horchte....
"Hey, du! Hör auf hier zu träumen und mach die Augen auf Bohnenstange!"
Irritiert legte ich die Stirn in Falten, ließ allerdings die Augen weiterhin geschlossen. Entweder erlaubte sich der Dämon in mir einen schlechten Scherz oder-
Die kalte Klinge die sich plötzlich an meinen Hals drückte erübrigte mir den Satz zu ende zu denken.
Ich ließ die Hände von meinen Ohren sinken und hob langsam die Lider womit ich meine bedrohlich leuchtenden Augen enthüllte.
So wie der Rest der Stadt waren auch die drei Schurken die sich vor mir aufgebaut hatten nicht sonderlich beeindruckt oder sahen vielleicht nicht genau genug hin.
"Sind wir endlich fertig mit dem Schläfchen? Na dann können wir ja jetzt unsere Arbeit tun.", meinte der der mir die Klinge an den Hals hielt, ein zerlumpter, annähernd zahnloser, ungewaschener und dazu noch sehr unverschämt spöttisch klingender Zwerg dessen Arm gerade hoch genug reichte um mich mit seinem Werkzeug zu bedrohen. Seine beiden Kameraden unterschied da nicht viel, bis vielleicht auf die Körpergröße und der ein oder anderen genähten Narbe, was allerdings der Ästhetik nicht wirklich zu gute kam.
Soviel zu 'Nach Narben trachten, Weiber schmachten'.
"Ich wüsste nicht was ihr von mir wollen könntet", sagte ich und tat unwissend was ihre Definition von 'Arbeit' anging, fixierte allerdings den Dolch der mir an den Hals gepresst wurde mit großer Vorsicht.
"Du siehst aus als wärst du so'n reicher Pinkel, einer von der Sorte der sein Geld nur so auf die Straße wirft."
Ich verzichtete darauf ihn darüber aufzuklären dass ich das heute schon hinter mir hatte und er mich am besten Morgen noch einmal aufsuchen sollte.
Stattdessen lächelte ich spöttisch und legte eine Hand an den Schafft des Dolches und seine Hand die ihn umklammerte.
Kaum war dies geschehen zeigten zwei weitere Waffen auf mich. Das Gefolge des Zwergbandits hatte sich links und rechts von mir postiert und war bereit zu zu stechen falls es notwendig war. Die Lage schien durchaus verzwickt.
Eigentlich hatte ich mir geschworen meine dämonischen Kräfte nicht zu nutzen, doch diesmal sah ich mich gezwungen meine erst kürzlich aufgestellte Regel schon das erste Mal zu brechen.
"Nimm deine Hand da weg und raus mit der Kohle oder du landest Kopf voraus in der Themse!"
"Fische sind eine furchtbar langweilige Gesellschaft.",erwiderte ich. Meine Finger schlossen sich noch fester um die Waffe und die Hand die sie führte. Ich spürte dass der Zwerg versuchte die Klinge fester in mein Fleisch zu pressen, doch sein entsetztes Gesicht verriet mir dass er bereits gemerkt hatte dass mein stählerner Griff eine Nummer zu hoch für ihn war.
"Was ist los Chefchen?",fragte einer der anderen beiden die mit verwunderten Blicken signalisierten dass sie das plötzliche Zögern und der starre Ausdruck des Zwerges sie durchaus etwas aus dem Konzept brachte.
"Ich kann nicht zustechen...! Er hält meinen Arm fest!"
Ich senkte meinen Kopf zu dem Jäger hinunter der in absehbarer Zukunft wohl selbst ein gejagter sein würde.
"Erst werde ich dir jeden einzelnen Knochen brechen bis deine Hand nur noch ein schwabbeliges Stück Frischfleisch ist und danach werde ich sie zu Gehacktem verarbeiten. Du wirst wunderbares Futter für meine Bluthunde abgeben, meinst du nicht?" Ich konnte die Panik zwischen dem Gestank der Straße und dem Angstschweiß durchaus wahrnehmen und grinste raubtierhaft. Die Augen meines Opfers wurden von einem Moment zum anderen immer größer und als ich seine Hand noch einmal eine Spur heftiger zusammen drückte ließ er einen Schmerzensschrei laut werden. Sofort sah ich aus den Augenwinkeln die Bewegungen der anderen beiden die endlich aus ihrer Starre erwacht zu sein schienen und mit erhobenen Klingen auf mich zusprangen. Dem ersten Angriff konnte ich locker ausweichen, dabei musste ich selbst einen Schritt zur Seite machen und meine Geisel los lassen. Der zweite Angreifer streifte meinen Arm mit seiner Klinge. Es war nur ein kurzer, schwacher Schmerz aber trotzdem ließ ich mich kurz ablenken und sah auf den Riss in meinem Mantel und spürte wie sich warmes Blut in der kleinen Wunde sammelte. Dieser eine Moment genügte um mich nach hinten zu stoßen, tiefer in die menschenleere Gasse hinein. Zu meinem Pech stolperte ich über eine umgestoßene Kiste die mitten im Weg lag und landete mit allen Vieren auf den harten Pflastersteinboden.
Diese Wendung irritierte diesmal mich. Wie konnte ich mich so hinters Licht führen lassen?
"Jetzt fährst du zur Hölle du Bastard!", schrie der Zwerg und stand mit seinen beiden Kameraden genau über mir, alle drei die Dolche bereit zum Zustechen. Ich würde meine Arme benutzen müssen um sie alle abzuwehren, daran bestand kein Zweifel. Meine Muskeln spannten sich knapp bis zum zerreißen , bereit um auf jede schnelle Bewegung reagieren zu können.
Doch wie es nun mal so ist: Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.
Ich hörte Schritte hinter mir. Auch die drei Banditen nahmen sie wahr, ließen ihre Waffen sinken und Zwerg lachte mit einem Mal hässlich und laut auf.
"So was, heute muss unser Glückstag sein!"
Ich vergewisserte mich noch einmal dass alle Gesichter von mir abgewandt waren, dann drehte auch ich den Kopf nach hinten.
Mit 'Glückstag' meinte der Zwerg einen weiteren edel aussehenden Mann der eben irgendwo hinten in der Gasse um die Ecke gegangen war. Seine Gestalt wirkte nicht weniger sonderbarer als meine, zumindest wenn man es oberflächlich betrachtete.
Der Herr kam auf uns zu gelaufen, in der einen Hand einen Gehstock dessen oberes Ende mit einem filligran verzierten, behörnten Drachenkopf ausgechmückt war, die andere Hand hinter dem Rücken. Sein Gang war aufrecht, seine Schritte elegant ebenso wie seine Garderobe. Ein schwarzer Zylinder mit einer tief ins Gesicht gezogenen Krempe verdeckte dieses fast komplett, sein edel ausgearbeiteter Anzug war feuerrot mit zierlichen, weinfarbenen Mustern die von geschickten Fingern mit in den Stoff eingewoben waren. Ich konnte lange weiße Haare erkennen die Spinnenfäden ähnlich das spitze Kinn umrahmten. Seine langen Finger zierten ebenso weiße Stoffhandschuhe und irgendwie erinnerte er mich dadurch an einen Straßenzauberer der Kartentricks vorführte und Kaninchen aus dem Hut zauberte.
Obwohl er ganz genau gehört haben musste was der Zwerg gesagt hatte und die Situation so oder so mehr als offensichtlich sein musste machte er nicht kehrt sondern blieb erst stehen als er fast genau vor mir stand.
"Guten Tag meine Herren."
Die Stimme des Gentleman klang freundlich, sanft aber keinesfalls so als würde er nicht wissen dass ihm dieses Pack keinesfalls wohl gesonnen war. Er schob die Krempe seines Zylinders ein wenig hoch und ich konnte von unten zwei rot leuchtende Pupillen in schmalen, mandelförmigen Augen erkennen. Irgendwie beschlich mich ein sonderbares Gefühl als er mit seinem schmalen, ebenso weißen Gesicht auf mich hinunter sah. Etwas sagte mir...dass er kein Mensch war, und das er nicht zufällig hier abgebogen war. Ich hielt seinem Blick mit meinen starr auf ihn gerichteten Augen stand, stutzte dann allerdings etwas als er mir zuzwinkerte und dabei verschwörerisch grinste.
"Ich konnte nicht umhin euer lautes Gespräch mit anzuhören, entschuldigt mich."
Der Zwerg ging eilig an mir vorbei und bedrohte nun meinen freiwilligen 'Retter' (natürlich wäre ich auch ohne ihn klar gekommen) mit seinem Dolch in der leicht ledierten Hand.
"Hör mal zu du bleichgesichtiger Snob, man stört andere nicht bei ihren Geschäften!"
"Oh, das wollte ich auch gar nicht."
"Na dann mach das du wegkommst! Und wenn du den Wachen was flüsterst landest du neben ihm auf dem Acker!" ,prophezeite einer der Handlanger des Zwerges. Der Gentleman hob beschwichtigend die freie Hand.
"Ihr missversteht mich leider völlig! Ich bin hier um das Geschäft abzuschließen." Drei Augenpaare und meines waren verblüfft auf ihn gerichtet und sahen dabei zu wie er aus der Brusttasche seines Anzuges ein Säckchen zog.
"Hier, das dürfte genug sein." Er drückte den prall gefüllten Lederbeutel seinem Gegenüber in die Hand der sogleich die andere mit dem Dolch senkte. Ich beobachtete wie so oft in letzter Zeit die verblüffende Wirkung des glänzenden Edelmetalles auf die menschliche Rasse. Misstraurisch öffnete der Zwerg den Beutel und befühlte die Münzen , schien sie als echt zu identifizieren und steckte sie unter seine Gewandung. Anschließend warf er noch einen befehlenden Blick zu seinen zwei Komplizen die sich von mir entfernten und an seine Seite traten. Der Gefahr entronnen richtete ich mich wieder zu meiner vollen Größe auf und zog meine Kapuze tief ins Gesicht. Der fremde Gentleman musterte mich mit einer Mischung aus Faszination und Gelassenheit die für Opfer eines Überfalls nicht wirklich selbstverständlich war. Die drei Banditen murmelten noch etwas untereinander, dann verschwanden sie ohne mir oder dem Fremden noch weiter Beachtung zu schenken in die andere Richtung auf die Hauptstraße, irgendwo unter der Masse der herum eilenden Menschen.
"Puh, das war knapp." Der Fremde fächelte sich mit einer Hand Luft zu. Noch immer schien er völlig Sorglos und nicht ein kleines bisschen erregt über den Verlust einer ganzen Menge Geld.
"Warum habt ihr mir geholfen?" ,fragte ich und musterte dabei noch einmal argwöhnisch seine ,im Gegenteil zu meiner, schmächtige Gestalt.
"Ich hab nun mal Mitleid mit Zugereisten die sich gleich im übelsten Viertel von London zur Zielscheibe machen.",antwortete er und zwinkerte mir noch einmal zu.
"Das East End ist nicht nur bekannt für seine hübsche weibliche Gesellschaft, mein Freund." Er senkte die Stimme und grinste mich dabei vielsagend an.
Ich hob eine Augenbraue und verfinsterte meinen Blick.
"Ich danke euch für eure selbstlose Hilfe, aber auf einen Fremdenführer kann ich verzichten.",murmelte ich so freundlich wie es meine leichte Gereiztbarkeit zuließ.
"Oh,ich danke Ihnen!" Das Lächeln des Gentlemans wurde breiter.
Ich verstand nicht ganz worauf er hinaus wollte, nickte nur stumm und drehte mich in die Richtung um aus der ich gekommen und in diesen Schlamassel geraten war.
"Seid ihr noch länger hier in der Stadt?" , fragte er und stellte sich mir eilig in den Weg. Meine Augen verengten sich zu Schlitzen, er lächelte mich aber unbesonnen weiterhin an.
"Warum wollt ihr das wissen?"
Er zuckte mit den Schultern.
"Ich bin einfach neugierig. Außerdem kenne ich mich mit der Stadt und ihren Bewohnern sehr gut aus, und euch habe ich noch nie hier gesehen. Seid ihr auf der Durchreise?"
"So könnte man es sagen." ,murmelte ich nachdem ich in Gedanken abgewogen hatte wie weit meinem Gegenüber vom Anschein her zu trauen war.
-"Und, wie gefällt euch London?"
-"Nun...bis auf den Zoll, ein Gasthaus und diese Gasse habe ich noch nichts hier genauer besichtigt..."
Der Fremde lachte auf. "Ach was? Dann habt ihr wohl eher einen schlechten Eindruck von dieser Stadt gewonnen. Dabei hat sie soviel schönes zu bieten."
Ich wurde dass Gefühl nicht los dass dieser Kerl irgendetwas bestimmtes von mir wollte.
"Das macht mir nichts aus. Ich werde sowieso nicht mehr lange bleiben denke ich."
Er seufzte, machte aber keinen besonders niedergeschlagenen Eindruck. "Das ist Schade...aber ihr werdet eure Gründe haben."
"Und davon einige." ,dachte ich und hätte gerne die Augen verdreht wenn ich noch welche besessen hätte.
"Darf ich euch noch eine Empfehlung aussprechen?"
Ich sah ihn fragend an und er ging lächelnd und mich zu sich winkend zur großen Hauptstraße.Ich zögerte noch kurz, dann folgte ich ihm. Am Rand des Tumults blieb der Fremde stehen und deutete auf eine schmale Gasse auf der anderen Seite, die mir vorhin im Eifer der Flucht gar nicht aufgefallen war.
"Seht ihr sie?"
"Wen?" Ich kniff die Augen zusammen und versuchte herauszufinden was der Gentleman meinte.
"Na die Tür."
Ich fixierte den schmalen Spalt zwischen den zwei hellen Gebäuden und versuchte in ihrem Schatten dass zu erkennen was da sein sollte. Meine dämonischen Augen waren solange auf das Dunkel gerichtet bis ich trotz der Entfernung haargenau die winzige, stark verwitterte Holztür entdeckte. Sie war mit zwei Brettern oben und unten vernagelt und abgestellter Unrat und Müll verdeckte sie teilweise.
"Es fällt einem kaum auf wenn man es nicht gezeigt bekommt, nicht wahr?", fragte der Fremde und wieder schien ihm irgendetwas an mir zu faszinieren.
Ich nickte nur stumm, blieb allerdings recht unbegeistert.
"Was sollte daran empfehlenswert sein?",fragte ich argwöhnisch und bekam langsam das Gefühl dass der Herr hier mich irgendwie in die Irre führen wollte. "Ist dass auch eine dieser berühmten Gassen des East Ends?"
Er schenkte meinem letzten Satz ein seltsames Lächeln und nickte.
"Oja, sie erfreut sich einer großen Beliebtheit. Allerdings nur unter Kennern die einer besonderen Art angehören."
"Ich glaube nicht dass ich zu dieser Art gehöre...",murmelte ich und sah mich bereits nach dem Rückweg zu 'Corvus & Noctuas Tavern' um.
Der Fremde runzelte die Stirn, behielt sein Lächeln jedoch weiter bei.
"Seid ihr denn kein Dämon?"
Ich erstarrte.
Die Menschen gingen an uns beiden vorbei und schienen uns nicht wahrzunehmen, denn niemand würdigte uns in dem Tumult eines Blickes. Ich überlegte einen Moment einfach weg zu gehen und nichts dazu zu sagen, bis mich ein Gedanke überkam der schon irgendwo tief in mir gelauert haben musste. Ich wandte mich wieder zu dem geheimnisvollen Fremden.
"Seid ihr denn einer?" ,fragte ich so gelassen wie es mir möglich war , doch meine Stimme hatte einen fröstelnden Unterton.
Seine roten Augen fixierten mich und blitzten kurz auf wie eine flackernde Feuerzunge.
"Wer weiß." Seine Stimme war nur noch ein Hauch, doch ich konnte sie trotzdem ganz genau hören. Der Rest der Welt um uns herum war weg geschalten, nur noch ein waberndes Grau in Grau und die verschiedenen Geräusche hatten sich in ein leises, hintergründiges Surren verwandelt. Ich hörte das Blut durch mich hindurch rauschen , es geriet in Wallung als würde etwas das Monster in mir zum aufwachen animieren wollen. Unsere beiden Blicke hingen aneinander, ein Austausch von stummen Gedanken, eine unkontrollierbare Telepathie schien von statten zu gehen. Vor meinem geistigen Auge definierte sich die exakte Antwort auf meine Frage.
Vor mir stand tatsächlich ein weiterer Vertreter der Rasse aus dem fruchtbaren Grund der Hölle. Das rot seiner Augen brannte sich in mein Gedächtnis ein, nach einer Weile schloss ich meine Augen und erkannte immer noch das rote Leuchten auf der Innenseite meiner Lider. Der Geräuschmischmasch aus dem Hintergrund wurde in kurzer Zeit wieder das gleiche laute Stimmengewirr wie vorhin und auch die Welt um uns herum schien wieder present zu sein.
Die Mundwinkel des Fremden zuckten nach oben.
"...hier in London gibt es viele Winkel und Gassen die wohl mehr für Dämonen geschaffen sind als für Menschen. Wenn ihr noch fragen habt, dann schaut doch nachts mal hier vorbei."
Er wandte sich von mir ab und ging davon, die freie Hand winkend nach oben gereckt.
Ich sah dem umheimlichen Kerl so lange nach bis er komplett aus meinem Sichtfeld verschwunden war.
Ich spürte ein leichtes Beben unter meinen Füßen und stützte mich an einer Hauswand ab. Das Blut wurde noch unruhiger in meinen Adern, die Sinne geschärft bis ich selbst das kleinste Ungeziefer durch die Ritzen im Pflasterstein der Straße krabbeln sehen konnte. Eine Kolonie von Käfern machte sich vor der schmalen Gasse über den Kadaver einer von einer Katze erlegten Maus her und würde sie zersetzen bis nichts mehr übrig war.
Ohne es wirklich zu wollen fuhr meine rechte Hand zu dem verletzten Arm an dem der Kratzer leicht blutete. Die Finger glitten unter den darüber hängenden Stoff des Mantels, strichen einmal über die winzige Wunde und kamen wieder hervor, an den Spitzen dunkelrot, sogar fast schwarz verfärbt.
Mit einem Mal überfiel mich wieder die Lust.
Die Lust zu töten.


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 Betreff des Beitrags: Re: Abbaddon II
BeitragVerfasst: Do 19. Aug 2010, 23:53 
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Geburt einer Galaxie
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Kapitel 2: Alimenti - Nahrung
Gewobenes Schicksal


Zitternd und alleine stand sie vor der kalten Hauswand, mit nichts weiter bekleidet als einem hauchdünnen Kleidchen dass gerade soviel verbarg wie nötig war, und dass war bei einer Hure nur das aller, aller nötigste. Ihre Freundinnen hatten es gut - ihre lange Erfahrung hatte ihnen bereits einige Stammkunden und genug Geld zum Leben eingebracht. Doch als ein Mädchen dass gerade erst anfing musste man sich alles mit absoluter Hörigkeit, dem Geschick der Verführung und einem bezaubernden Lächeln für jeden noch so widerwärtigen Kunden verdienen, und zu all dem war sie bereit. Sie benahm sich wahrhaftig hurenhaft, ihr stolz war ihr egal, hier ging es um das nackte Überleben.
Sie erschrak ein wenig als mein großer, dunkler Schatten aus dem Nebel trat der die leere Straße erfüllte wie jeden Abend. Allerdings legte sich die Angst schnell wieder, denn sie erkannte mich rasch als den Herren den sie bereits bei Tage schon ihre Aufwartung gemacht hatte. Ihre roten, weichen Haare und das junge Fleisch war der einzige Punkt mit dem sie die alten Fregatten an ihrer Seite ausstechen konnte. Sie setzte ihr verführerisches Lächeln auf und versuchte selbst bei dieser bitteren Kälte den Stoff ihres Rockes noch ein wenig höher zu ziehen um mir zu gefallen. Ihre dunklen Augen hatten den Glanz von schwarzen Perlen, Jugend und Unschuld der sich bald verflüchtigen würde sobald sie erkennen würde wie sehr man sich erniedrigte wenn man seinen Körper für Geld verkaufte.
Schon komisch - wenn ich genauer darüber nachdachte hatte ich mich damals auch verkauft.
Ich schenkte ihr kein Lächeln oder verlor ein Wort, schob nur eine meiner kalten Hände unter ihr Kinn und hob es etwas an. Ich spürte die weiche, unverbrauchte Haut unter meinen Fingern und fuhr mit den Fingerspitzen langsam über ihre Wangen. Sie griff nach meiner Hand und zog sie von sich weg.
"Hey, für mehr müsst ihr schon bezahlen." ,hauchte sie mit einer Stimme die jeden anderen hätte Schmelzen lassen.
Ich warf einen Blick zur Seite zu dem Gebäude an deren Seitengasse die Huren warteten. Aus den Fenstern strömte ein intensives, rötliches Licht, erheiterte Stimmen drangen gedämpft auf die Straße.
"Wie viel?",fragte ich trocken ohne sie noch einmal anzusehen.
Sie schwebte mit eleganten Schritten an mir vorbei zur Tür. Wieder sprach sie mit der Stimme einer verführerischen Waldnymphe.
"Lasst uns das drinnen besprechen. Hier draußen ist es doch viel zu ungemütlich." Sie zwinkerte mir vielsagend zu und ihr Lächeln nahm langsam die Süße von tropfenden Honig an. Stumm ließ ich mich von ihr führen.

Im Freudenhaus herrschte eine Stimmung die ich so noch nicht wirklich erlebt hatte. Zu aller erst stieg mir der intensive Duft von Rauch, Schweiß, aphrodisierenden Stoffen und Wein bis hoch in den Kopf. Der Raum durch den mich das Mädchen führte glich einer Hexenküche, ich konnte mir denken dass die Fläschchen die in den Regalen standen allesamt zur Verführung der männlichen Kundschaft gedacht waren. Öle, Duftstoffe, exotische Früchte die ich noch nie gesehen hatte reihten sich nebeneinander. Über die großzügig aufgestellten Kerzen waren rote Glasgefäße mit einem runden Loch an der Oberseite gestülpt worden die das rote, schwummrige Licht erzeugten. Hier warteten die lüsternen Freier mit ihren ebenso lüsternen Dienerinnen darauf dass sich die Tür eines der Hinterzimmer in einem Gang tiefer im Haus öffnete und ihnen erlaubte ihren Verstand für einen Moment über Bord zu werfen. Gerade kam eine der Huren aus einem der besagten Zimmer in Begleitung eines fetten, aufgedunsenen Kerls der sich gerade die Knöpfe seines edlen Hemdes vor der speckigen Brust zuknöpfte. Während mich die Frau an meiner Seite gleich weiter zog spürte ich die bohrenden Blicke der anderen Gäste.

Wie viele Männer hier des Nachts wohl ihrer Sünde fröhnten? Ich konnte mir vorstellen dass hier nicht nur die herkamen die des nachts einsam in ihren Betten lagen. Ich musste an die Hammeriten vom Tage denken. Wenn die Heiligkeit jedem so auf die Stirn geschrieben stand wie Cain waren sie diesem Geschäft mit Sicherheit auch nicht abgeneigt.

Nach hammeritischen Grundsätzen stand auf das Brechen des Gesetzes der Keuschheit eine sofortige entfernen des "ausführenden Gliedes".

Glücklicherweise war ich nie in Versuchung gekommen und auch jetzt war das letzte was ich wollte mich an einem fremden Körper zu ergötzen....zumindest nicht in dem Sinn in dem es der Rest hier unter diesem Dach tat.

Überhaupt hatte ich nur recht selten auf meiner Reise überhaupt die Möglichkeit gehabt meinen eigentlich nur schwachen, sexuellen Ergüssen freien Lauf zu lassen. Einmal, in einem kleinen Dorf in dem ich Rast gemacht hatte da gab es dieses Mädchen, ebenfalls eine Hure...ich hatte mir zwar gewünscht Tineoidea, meiner einzig wahren Tineoidea meinen Körper schenken zu können, doch der Augenblick trieb mich dazu. Nachdem ich sie eingehend befriedigt hatte hatte ich mir ihre Innereien als Wegzehrung und Bezahlung für meine Jungfräulichkeit gegönnt.

Die Dame die diese Nacht wohl meine Nahrung sein würde schloss die Tür hinter sich als wir beide in dem freien Hinterzimmer standen. Auch hier herrschte die extreme Duftmischung, allerdings nicht so intensiv wie im Raum davor.

"Mein Name ist übrigens Narzissa.",erklärte das Mädchen und machte sich bereits daran das Bett mit den zerwühlten Leinendecken einladend auszustaffieren. Ich gab mich weiterhin unnahbar und legte meinen schweren, schwarzen Reisemantel ab. Ich hängte ihn über die Lehne eines Holzstuhl der gegenüber einer kleinen Kommode mit Spiegel stand und betrachtete in ihm stumm erst mein Gesicht und dann Narzissa die sich entblößte. Ihr schmaler Rücken war frei von Schmutz, Kratzern oder Unreinheiten, Haut wie man es von einer Prinzessin erwartete, nicht von einer willigen Prostituierten. Nachdem auch das letzte Stück Stoff nicht länger ihren frischen, so unbefleckt aussehenden Körper bedeckte, legte sie sich aufs Bett und fuhr sich mit einem lasziven Gesichtsausdruck durch die rote Haarpracht. Sie präsentierte sich verführerisch wie eine teuflische Sukkube die nur darauf wartete genommen zu werden und ihr dämonisches Verlangen an jemanden zu stillen.
"Was ist los, mein Herr? Wollt ihr nicht langsam zur Sache kommen?" ,fragte sie nur mit einem weiteren süßen Hauchen und fixierte mein Gesicht im Spiegel. Ich atmete tief ein und aus.
Jetzt.
Ich drehte mich langsam zu ihr herum und näherte mich dem Bett. Ich beugte mich über sie, strich mit einer Hand über die zarte Haut.
Fleischbeschau.
Narzissa kicherte leise und legte mir einen Arm um den Nacken und versuchte mein Gesicht dem ihrigen näher zu bringen. Ihr zarter Kuss auf meinen Lippen hatte den für Dämonen unversechselbaren Geschmack des menschlichen Lebens.
Alles andere war bedeutungslos.
Ich richtete mich wieder auf, Narzissa schien irritiert zu sein und wurde scheinbar auch langsam ungeduldig, denn ihr Mund verzog sich für einen Moment zu einer seltsamen Grimasse.
"Breite die Decke über das ganze Bett aus." ,befahl ich in einem gelangweilten Tonfall. Das Mädchen aber sah nur noch verwirrter drein. Ich schnaubte.
"Bist du Taub ? Ich habe gesagt breite die Decke aus!"
Sofort sprang sie vom Bett und tat wie ich ihr
geheißen hatte. In ihrem Blick konnte ich einen leichten Groll gegen mich liegen sehen, doch gleichzeitig auch den Schock wegen meinem Stimmungswechsel und die Frage was ich für ein Spielchen trieb und was sie dafür wohl extra verlangen sollte. Geduldig wartete ich bis sie fertig war.
Narzissa wandte sich zu mir um und versuchte scheinbar alle ihre Gefühle zu überspielen in dem sie wieder versuchte das verführerischste Fräulein in ganz London zu mimen. Ich ging zu ihr, legte ihr meine beiden Arme um die Hüfte und spürte noch einmal das zwischen meinen Fingern was ich bald zwischen meinen Zähnen zermalmen würde. Diesmal schien sich die Kleine sicher zu sein ihr Ziel erreicht zu haben und machte sich so gleich daran meinen Körper unter der eng anliegenden, dünnen Kleidung zu streicheln und zu liebkosen.
Dass ich kalt war wie eine Wasserleiche schien sie dabei nicht zu stören. Und selbst wenn - lange hätte sie es sowieso nicht gekümmert. Vorsichtig, mit einem kaum zu hörbaren Knacken wie von morschen Ästen, glitt eine dritte eisige Hand von meinem Rücken zu meinem Opfer. Ehe sie sie bemerken konnte hielt ich ihr mit einer anderen den Mund zu während die anderen zwei ihre Arme festhielten und ich sie aufs Bett zwang. Sie versuchte zu schreien, zu beißen, sich mit den Händen zu wehren und trat nach mir, allerdings war jeder Versuch zwecklos. Insgesamt 6 Arme fixierten ihren schwächlichen, wunderschönen Körper auf dem Nachtlager, durch den immer wieder ein heftigen Zucken ging als sich Narzissa erneut aufbäumen wollte. Ich konnte ihren hektischen Atem unter einer meiner Hände spüren und beschloss die Sache schnell hinter mich zu bringen bevor jemand auch nur auf die Idee kommen konnte dass etwas nicht in Ordnung war. Unbarmherzig drückte ich mit aller Kraft und mit jedem Finger zu. Ich konnte es unheilvoll knirschen hören und ich fragte mich was länger durch hielt: Ihr Kiefer oder Arme und Beine. Keine dieser Verletzungen würde sie sofort töten, denn ich wollte ihr lebend und bei Bewusstsein ihre wertvolle, lebenswichtige Substanz entnehmen.
Ein bösartiges grinsen huschte über meine Züge.
"Narzissa, Narzissa, wie eine Blume so rein..."
Ihre weit aufgerissenen Augen huschten hin und her und suchten nach Hilfe.
„“...warum wird eine wunderhübsche Prinzessin zu einer hässlichen Hexe...?“
Sie stoppte in ihren Bewegungen und sah mich flehend an. Langsam rollten ihr ein paar Tränen über die Wangen. Ich drückte nicht mehr kräftiger zu und ließ eines ihrer Beine los. Mit den langen Fingern an der freien Hand wischte ich ihr die salzigen Wassertropfen von der zarten Haut. Ich sah ihr intensiv ins Gesicht und schob ihr noch eine rote Haarsträhne hinter das Ohr bevor ich meine Zähne in ihre Brust stieß und tödlich zubiss. Ein erstickter schriller Schrei versuchte unter meiner brutalen Hand hervor zu dringen, vergebens.
Wie jedes mal wenn ich mein Opfer peinigte überfiel mich die seltsame Lust die so intensiv jede Zelle meines Körpers durchdrang dass ich dachte ich würde nie wieder aufhören können...
Zwei meiner Finger glitten in den Hals von Narzissa die sofort ein würgendes Geräusch von sich gab während ich mich tief in ihren Körper hervor tastete. Ich konnte spüren wie sie auf stieß und etwas warmes ihren Rachen füllte. Gurgelnd zuckte ihr Körper immer wieder zusammen während meine Lippen an ihrer zerfleischten Brust hingen um ihr jeden Tropfen Blut aus zu saugen. Der Körper des Jungen Mädchens erschlaffte immer mehr und irgendwann hörte er auch auf sich gegen meinen Griff zu wehren und stoppte jegliche Lebenszeichen. Endlich konnte ich meine 6 Hände auf ihren Rücken legen um ihn mit den krallenartigen Fingern zu durchbohren und sie auseinander zu reißen bis die wohlig warme Füllung aus ihrem Bauch heraus platschte, direkt in meinen Schoß. Ich beugte meinen Kopf hinunter und leckte gierig über die feine Haut ihrer Leber, ihres Darms und den Rest der heißen, mit dunklem Lebensserums überströmten Organe, die ich anschließend in einem Stück hinunter schlang.

Das wunderbare Gefühl der Sättigung setzte überraschenderweise ein bevor ich den ganzen Körper ausgeweidet hatte. So schnell hatte sich der Dämon – hatte ich mich – noch nicht befriedigen lassen und ich legte mich noch einen Moment neben die Leiche der jetzt noch schöneren Narzissa, die mit weit aufgerissenen, trüben Auge zur Decke starrte. Ich schmiegte mich an das leblose Fleisch, doch auch das half meinen verlorenen Appetit nicht auf die Sprünge. Einen Moment später schreckte ich auf und sah entsetzt in den Spiegel der die blutverschmierte Bestie zeigte in die ich mich verwandelt hatte und bei der ich immer froh war wenn ich sie davon abhalten konnte anderen in meiner Umgebung weh zu tun. Und jetzt...hoffte ich sogar darauf dass sie erwachte und mich lenkte. Ich schloss kurz die Augen und holte tief Luft um nicht in Selbstzweifel zu verfallen. Das wichtigste war jetzt erstmal die Leiche so unauffällig wie möglich los zu werden, dachte ich während ich mich langsam wieder anzog und im Gesicht und an den Händen vom Blut säuberte.
Wieder voll Herr meiner Sinne begann ich alles was Narzissa an hatte über ihren entstellten Körper zu legen um nicht doch wieder die Beherrschung zu verlieren. Danach wickelte ich sie in das verdreckte Bettlaken ein und stellte erleichtert fest dass nicht viel von dem Blut durch getropft war bis auf ein paar wenige kleine Flecken. Ich überlegte intensiv wo ich das Bündel verbergen konnte ohne dass man mich damit in Verbindung bringen könnte. Während ich die unmöglichsten Möglichkeiten und Situationen durchspielte fiel mein Blick auf das von dichten Vorhängen verborgene Fenster. Draußen herrschte tiefe, undurchdringliche Nacht, der Londoner Nebel sorgte dafür dass die meisten Leute zu hause vor dem warmen Kamin oder im Bett blieben und wenn man doch auf den Straßen unterwegs war lagen dichte Schatten überall in den Gassen und spielten den Passanten Streiche und gaukelten ihnen unheimliche Illusionen vor. Was Nachts dort draußen geschah blieb meistens im Verborgenen.
Ich zögerte nicht lange, warf den eingewickelten Körper über die Schulter und öffnete das Fenster. Etwas weiter vorne am Gebäude warf das Licht dass durch die Fensterscheiben fiel rote Spuren auf den Pflasterstein. Mehr war fast nicht zu erkennen, so undurchdringlich war die Dunkelheit. Ich hörte in der Ferne eine Turmuhr zwölf-mal schlagen. Einen Augenblick später ließ ich Narzissa über meine Schultern nach unten gleiten und hinunter auf den harten Straßenboden fallen. Dumpf prallte sie auf und ihr Kopf rollte auf ihrem Hals hin und her. Ich stieg ebenfalls aus dem Fenster und stand in der dunklen Seitengasse in der das ganze Drama des heutigen Abends begonnen hatte. Vorsichtig schleifte ich den schlaffen Körper zu einem leeren Fass dass in der Nähe stand, hob ihn hinein und bog ihn so ineinander dass er hineinpasste ohne dass irgendein Körperteil herausragte. Ich sah mich aufmerksam um, doch ich nahm keine Bewegung und nicht dass mindeste Geräusch wahr. Überzeugt davon in Sicherheit zu sein stieg ich wieder durch das Fenster ein, denn es musste merkwürdig erscheinen wenn Freier durch das Fenster und nicht durch die Tür wieder hinausgingen. Um meine Tarnung zu perfektionieren hinterließ ich eine hübsche Summe Geld auf der Kommode und verließ das Zimmer mit meiner gewohnten, arroganten Mine die jedem, sowohl Hure als auch Kunden, verhöhnte, angesichts der Unwissenheit über das Verbrechen das gerade hinter ihren dreckigen, unreinen Rücken begangen worden war.

Als ich das Hurenhaus verlassen und schon einige Gassen hinter mir gelassen hatte wurde mir klar dass ich auch hier in London nicht länger bleiben konnte. Es war natürlich eine absurde Vorstellung dass man sofort mich mit dem Mord in Verbindung bringen würde, schließlich war ich nicht der einzige der sich dort amüsiert hatte.
So laut und hektisch die Straßen bei Tag waren, so unheimlich ruhig und im Schatten verborgen waren sie bei Nacht. Ein paar leichte Tropfen schwebten fast unmerklich vom wolkigen Himmel der nur vom Licht des strahlenden Mondes etwas erhellt wurde und glänzten wie zerfließende Perlen oder Tränen auf den hölzernen Hauswänden, dem Steinboden und den Fensterscheiben hinter denen finstere Zimmer lauerten. Die massiven Mauern mancher Bauten erinnerten mich an das Kloster in dem ich 20 Jahre lang gelebt und gelernt hatte und ich fragte mich ob es hier in der Nähe wohl eine Kirche oder ähnliches gab. Dafür sprachen die Hammeriten vom Tage, doch etwas anderes bereitete mir Kopfschmerzen...
Ich wusste nicht weshalb er mir plötzlich in den Sinn kam, hatte ich mir doch vorgenommen nicht mehr an diesen Mephisto zu denken, doch die wenigen Worte die er mit mir gewechselt hatte spukten in meinem Kopf herum. So wie er gesprochen hatte, gab es hier in der Umgebung noch mehr Dämonen die sich scheinbar erfolgreich vor dem starken Hammer des Ordens erfolgreich verbargen. Ich fragte mich ob sie teilweise noch so menschlich wirkten wie ich oder ob sie sich vor anderen Augen verborgen halten mussten, hinter den vernagelten Türen von alten oder verfallenen Gebäuden, in den Wäldern versteckt oder gar in Gefängnissen nur darauf wartend zu entkommen oder ihrem Schicksal übergeben zu werden weil sie als gefühllose Monster verurteilt worden waren. Erst jetzt stellte ich mir die Frage ob eigentlich alle Dämonen so einen klaren Geist besaßen wie ich.
Denn in den Schriften die ich kannte war diese Rasse stets als das absolute Böse verschrien, bestialische und schreckliche Gestalten mit Ziegenhufen und ledernen Schwingen die nur versuchten das Unschuldige zu Verderben und Menschen aus Vergnügen zu töten. Sie zerstörten jegliches Gute und stellten sich stets den Werken des Erbauers in in den Weg.
Nachdem ich teils unfreiwillig, teils freiwillig zu einem Vertreter der eben jenen beschriebenen Lebensform geworden war wusste ich dass nicht alles richtig sein konnte.
Ich tötete Menschen nicht aus Spaß sondern aus Notwendigkeit.
Ich hatte nicht das Bedürfnis jemanden von seinem Lebensweg zur Sünde zu treiben.
Das einzige was ich wollte war ein Ziel, eine Aufgabe, ein Ende der ziellosen Flucht vor Erinnerungen und Vergangenheit, so wie jeder Mensch doch im Prinzip auch.
In finstere Gedanken und Nebel gehüllt durchschritt ich den totenstillen Platz auf dessen gegenüberliegenden Seite „Corvus & Noctuas Tavern“ lag. Wie ein einsamer Leuchtturm auf einer rauen, dunklen Klippe in der Schwärze eines unendlichen Meeres blinkte plötzlich das Licht einer einzigen Kerze auf. Überrascht blieb ich einen Moment im Nieselregen stehen und erkannte Noctuas altes weises Gesicht schemenhaft hinter dem Leuchten. Er war aus der Eingangstür gekommen und stand mit der Kerzen in der Hand scheinbar wartend unter dem Vordach des Gasthauses, den Blick in meine Richtung gewandt. Ich hob eine Augenbraue und setzte mich nur zögerlich wieder in Bewegung weil ich nicht wusste was ich davon halten sollte. Ich trat in den Schein der Kerze und erntete von dem Alten ein freundliches Lächeln und ein Nicken aus dem eulenhaften Gesicht.
„Hattet ihr einen unterhaltsamen Abend?“,fragte er gelassen und scheinbar ehrlich interessiert. Mein ernstes Gesicht versteinerte zu einer eisigen Mine und für einen Moment hatte ich die Befürchtung er fragte nicht aus Neugierde sondern weil er ganz genau wusste was ich getan hatte und nur deshalb auf mich gewartet hatte. Womöglich hatte Corvus mir hinterher spioniert, aus welchen Gründen auch immer und dem Alten dann Bericht erstattet um mich dann an die Stadtwache oder die Hammeriten zu verraten.
Ich versuchte aus dem ehrlichen, von den Jahren gezeichneten Gesicht einen ähnlichen Hintergedanken herauszulesen, doch dann kam mir meine eigene Verschwörungstheorie einfach nur absurd und paranoid vor. Noctua sah mich immer noch erwartungsvoll an.
„Es war zufriedenstellend.“,antwortete ich dann schließlich trocken und ging ins Haus, Noctua mit der lichtspendenden Quelle hinter mir her.
„Wartet ihr immer nachts auf eure Kundschaft?“,fragte ich in einem betont gelangweilten Ton, nur um mir klar zu werden dass ich wirklich unrecht hatte mit meiner Verdächtigung.
„Nur bei gut zahlender Kundschaft.“,entgegnete Noctua und ging mit mir die Treppen hoch. Dann zeigte er mir mein Zimmer im ersten Stock dass für mich zurecht gemacht worden war. Stumm nahm ich den dazu gehörigen Schlüssel entgegen und wollte eilig die Tür hinter mir schließen als Noctua mich noch einmal stoppte.
„Eines noch, Mister Abbaddon.“
Mit einem fragenden Blick spähte ich durch den Türspalt. Der alte Herr kramte in der Tasche seiner Gewandung und zog einen schmalen Briefumschlag heraus.
„Man hat ihn heute hier für euch hinterlassen kurz nachdem ihr euch ein Zimmer bei uns gemietet habt.“
Ich öffnete die Tür noch einmal gänzlich und nahm den Brief etwas irritiert entgegen, versuchte mir aber äußerlich nichts anmerken zu lassen. Ich drehte und wendete ihn, doch auf dem Kuvert war kein Name oder ein Hinweis auf den Absender zu sehen. „Wer hat das für mich hinterlassen?“,hakte ich nach.
Noctua zuckte mit den Schultern und sah mich entschuldigend an. „Ich weiß seinen Namen nicht. Er sah mir aus wie ein Adeliger,aber von denen gibt es hier einige, also wird euch diese Information wohl leider nur wenig helfen.“
Ich nickte vorsichtig.
Adelig? Das konnte eigentlich nur dieser Mephisto gewesen sein, wäre da nicht die winzige Tatsache dass er mich zu diesem Augenblick noch gar nicht kannte, gar nicht kennen konnte. Wortlos schloss ich die Tür hinter mir und legte meinen Mantel, der langsam erste Verschleißerscheinungen zeigte, auf das breite Himmelbett.
Eins musste ich diesem Gasthaus lassen, bedient wurde man hier wie ein König. Der Stoff der Decke fühlte sich zwischen den Fingern ähnlich an wie Seide, wenn auch nicht ganz so fließend. Ein kurzes Lächeln huschte über meine Züge. Heute Nacht war ich nicht nur gesättigt, sondern würde auch noch gut Schlafen.
Neugierig riss ich den Papierumschlag auf und faltete den Brief auseinander.


„Sehr geehrter, hochwohlgeborener Mister Abbaddon"

Ich runzelte die Stirn. Wie kam ich denn zu so einem Titel?

„ es ist uns eine Ehre euch hier in London, der Stadt des neu gesponnenen Schicksals willkommen zu heißen. Noch eine größere Freude ist es unser Bruderschaft allerdings euch zu Feier eurer Ankunft zu einem ganz besonderen Ereignis einzuladen, zu dem ihr rechtzeitig hier eingekehrt sein. Wir würden es begrüßen wenn ihr am bald angekündigten Tag zur zwölften Stunde auf dem Marktplatz wartet um uns persönlich kennen zu lernen.

Auf dass das Schicksal Wendungen erfährt“


Langsam ließ ich den Brief sinken. Die Sache war mir schon komisch vorgekommen als ich nur das Kuvert in der Hand hielt, aber jetzt war das ganze absolut abstrakt geworden. Nur Mephisto wusste von meiner heutigen Einreise und meinen Namen. Und ich glaubte nicht dass er es war...wer aber sonst konnte soviel über mich wissen?

Mich beschlich das dumpfe Gefühl dass bereits nach wenigen Stunden und Wortwechseln hier in der Stadt etwas seltsames vor sich ging, nur konnte ich mir nicht wirklich vorstellen was es war.

Die Stadt des neu gesponnenen Schicksals. Diese Bezeichnung hatte mir beim ersten Lesen einen leichten Stich verpasst. Mit dem Wort „Schicksal“ verband ich nichts Gutes, Nichts an was ich mich erinnern wollte und Nichts was zu ändern wäre.Faden um Faden des gewobenen Bildes dass mein Leben widerspiegelte war gelöst worden und lag schon lange in Fetzen vor mir und ich war gerade daran sie beiseite zu schaffen.

Ich war nicht mehr der Alte und wollte es auch nicht sein.

Unwirsch warf ich das beschriebene Stück Papier irgendwo auf den Boden und entkleidete mich, um mich danach unter die geschmeidige Decke zu legen.

Das Schicksal kann man nicht ändern. Nicht mal Träume können dass, und so habe ich es verlernt.

Das Träumen meine ich.

Ich sehe keine Bilder im Schlaf und höre keine Stimmen. Ich bin im Schwarz und in der Stille und finde dort die Ruhe die ich brauche um den Lärm und die Grellen Farben des Lebens zu vergessen. Denn ich selbst bin nur noch ein Schatten.

So sinke ich langsam in das Kissen und sehe aus dem Fenster, hinter dem die unendlichen Wege lauern, die verschlungenen Gassen und die Türen die mich führen würden in das Schicksal dass so dunkel verborgen lag in dieser Nacht und noch nicht einmal von der Sonne, geschweige denn von Mond und Sternen erleuchtet werden konnte. So blieb es versteckt - und ich würde mich morgen aufmachen es zu finden.


"Wenn du zu lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein." -Friedrich Nietzsche
http://www.sabaku-gallerys.de.tl
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