Kapitel 1: Pupiparie - Puppe
(Ein ganz besonderer Gentleman)
Wenn man 3 Monate in einer Welt verbrachte die nichts mehr zu bieten hatte als das einsame Heulen des Windes vergaß man leicht das alltägliche lebendige Treiben der Stadt. Tausende Leute waren auf den Straßen unterwegs und Marktschreier sprachen mit heißeren Stimmen zum Volk. Nichts schien hier still zu stehen, alles war beschäftigt, wanderte und wuselte als gäbe es kein Morgen mehr, wie die Einzelteile einer mächtigen Maschine, Zahnrad für Zahnrad, Schraube für Schraube. Mägde, Bauern, Soldaten, Kinder, Tiere, bunte Vögel und so manche zwielichte Gestalt. Ich erntete nur wenige schräge Blicke, von Schrecken oder Misstrauen war allerdings auch in diesen nichts zu lesen. Es beruhigte mich dass ich mich so gut ins Bild fügte, mein Plan schien tatsächlich auf zu gehen. Ich sah mich aufmerksam nach einem Gasthaus um in dem ich die Nacht verbringen und mein Pferd verwahren lassen konnte, denn es war sehr umständlich sich mit vier Hufen durch eine Menschenmenge zu schlängeln ohne dabei in Gefahr zu laufen jemanden mit ihnen zu zertrampeln.
Und das war eigentlich nicht dass womit ich hier Aufsehen erregen wollte.
Ehrlich gesagt wäre ich am liebsten komplett unsichtbar gewesen, davon war ich mit meiner Größe und meinem Auftreten allerdings so weit entfernt wie mein alter Meister Cain von Gnade und Hochmut...also verdammt weit.
Bald traf der Weg auf eine gepflasterte Straße und einen großen Platz, für Markttage wie die Stände verrieten. Alles war umschlossen von großen und auch prächtigen Bauten die mit verschnörkelten Verzierungen geschmückt waren. Hier boten alle ihre Waren feil, Gemüse und Früchte, teure Gewürze und Stoffe. Der Tisch des Geldwechslers wurde von vielen Leuten belagert, hauptsächlich Männer, die ihr Geld umtauschen wollten. Hier auf dem breiten Platz war das Gedränge bei weiten nicht so groß wie auf dem schmalen Eingangspfad und man konnte die Lage besser überblicken. Ich las die verschiedenen Schilder die über den Eingangstüren der Gebäude angebracht worden waren.
Ein Schneider....ein Schmied....ein Pub...ein...Freudenhaus. In einer kleinen, dunklen Seitengasse standen drei abgewrackte Weibsbilder in Kleidern mit viel zu weiten Ausschnitt und winkten mir zu. Eine kleine, rothaarige mit Pferdegesicht und Sommersprossen die von dem ganzen Hurenpack noch am frischesten schien, beugte sich vor um die "Ware" zu präsentieren. Ich musste zugeben, ich war der Sache nicht ganz abgeneigt. Dummerweise schien es mir gerade nicht der richtige Zeitpunkt. Später vielleicht...
Dann endlich fand ich ein Gasthaus.
"Corvus & Noctuas Tavern" schien für mich angemessen zu sein. Das Gebäude hatte drei Stockwerke, im untersten befand sich eine kleine Taverne, in den zwei oberen die Zimmer für die Kundschaft. Die beiden Besitzer des Etablissements erschienen mir auf den ersten Blick so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Noctuas war ein älterer Herr mit einem weisen und freundlichen Gesicht, die Augenbrauen waren lange silbrige Linien die sich bis zu den Ohren zogen. Sein kurzes, ergrautes Haar war nach hinten gekämmt und gab ihn in Kombination mit seinem weiten Mantel das Aussehen eines Adelsmannes der völlig zufrieden war mit sich und der Welt. Er versprach mir ein Zimmer für mich zu reservieren und ließ Corvus rufen um mein Pferd in einen Stall führen zu lassen. Bei ihm handelte es sich um einen muskulösen, hochgewachsenen jungen Mann dessen schwarzes, drahtiges Haar ihm ins kantige Gesicht fiel. Das einzige was davon noch deutlich zu erkennen war, war die eckige Hakennase. Ich verabschiedete mich eilig wieder, ließ allerdings eine beachtliche Menge Geld und meinen Rappen zurück. Ich würde erst Abends wieder kommen und bis dahin die Stadt erkunden. Vielleicht konnte ich ein paar nützliche Dinge für meine weitere Reise erwerben, vorausgesetzt nicht alles hier kostete soviel wie eine Nacht in "C & Ns Tavern".
Ich blieb einen Moment vor der Schmiede stehen und betrachtete durch die offene Tür wie ein längliches Stück Eisen zu einer ansehnlichen Klinge geformt wurde. Wenn ich Näher darüber nachdachte wäre eine Waffe so ein erwähntes nützliches Ding, denn ich durfte mich vor allem hier unter Menschen nicht nur auf meine dämonischen Kräfte verlassen. Ich war mir sicher dass selbst die abstrakteste Gestalt draußen auf der Straße es nicht mit einem 6-armigen 2-Meterriesen ohne Augen aufnehmen konnte. Für mich wäre selbst die Monstershow in einem Zirkus kein geeigneter Ort. Ein Herr mit einem blitzenden Schwert jedoch konnte unauffällig und in manchen Situationen gleichzeitig überzeugend sein.
Ich hörte hinter mir ein Räuspern.
Mit einem gewohnt gelangweilt-arroganten Blick wandte ich mich um. Aus Arroganz wurde einen Moment später Entsetzten. Vor mir standen drei rot gekleidete Männer, einer davon in der Gewandung eines hammeritischen Priesters, die anderen beiden in der Ausstattung einer hammeritischen Leibgarde. Einer von ihnen sprach mich an.
"Würdet ihr bitte zur Seite gehen mein Herr? Wir müssen in die Schmiede."
Ich wagte es nicht weiter auf zusehen und senkte den Blick. Ich murmelte ein "Selbstverständlich" und eilte in irgendeine Richtung davon. Ich sah aus den Augenwinkeln wie sich die drei noch einen Moment verwundert nach mir umsahen und dann durch den Eingang in die Schmiede verschwanden.
Hammeriten. Hier in der Stadt. Sie suchten mich. Sie hatten mich gefunden.
Ich rannte beinahe eine schwer beladene Magd um die erschrocken quiekte als ich genau vor ihr um die Ecke kam und fast ihren Trog mit Wasser fallen ließ. Das wütende Keifen dass sie mir noch hinterher schickte ließ mich nicht langsamer werden.
Nein, das war Unsinn. Hätten sie nach mir gesucht, hätten sie mich nicht gerade so einfach gehen lassen. Oder hatten sie mich nicht erkannt?
Meine Gedanken liefen Amok, so wie vorhin als ich dem schwarzen Reiter begegnet war.
Ich versuchte eine harmlosere Erklärungen für das Auftreten meiner ehemaligen Brüder zu finden.
Nach einer Weile des Umherirrens entdeckte ich eine menschenleere, schmale Gasse zwischen den zwei hochtrabend wirkenden Behausungen eines Juweliers und eines Bekleidungsgeschäfts speziell für den weiblichen Adel.
Ich wurde langsamer und stützte mich während des Gehens mit laut pochendem Herzen an der Wand ab.
Wie dumm von mir. Natürlich gab es auch außerhalb meiner Heimatstadt Anhänger des hammeritischen Glaubens. Nur wussten sie eben noch nichts von mir. Ich konnte mir nicht einreden dass man Cains Tod einfach tatenlos hinnehmen würde. Man würde mich jagen, wie ein dreckiges Tier ohne Daseinsberechtigung.
In mir stiegen die Bilder der blutgefüllten Kathedrale hoch, der Duft und der Geschmack...die wunderschön trapierte Leiche meines Meisters direkt zu den Füßen des Erbauers der väterlich die Arme öffnete um ihn in eine vielleicht bessere Welt zu führen, jenseits des Todes. An seiner Seite die Verräterin, Eva, die giftige Schlange in meinem und Tineoideas Paradies in dem wir ewig hätten leben, ewig hätten zusammen sein können. Etwas in mir appelierte an meinen gesunden dämonischen Verstand nicht weiter im Vergangenen zu wühlen. Es flüsterte mit einer dunklen, grollenden Stimme, direkt aus meinem Herzen heraus und ich legte die Hände auf die Ohren unter der schweren Kapuze um alle Geräusche aus zusperren die diese Stimme verfälschten. Sinnlose Phrasen, eine rituelle Formel...ein Lied in einer fremden Sprache? Meine Panik flaute ab und ich wurde ruhiger. Einen Moment lang hielt ich sogar die Luft an um den Tönen zu lauschen die aus meinen tiefsten Inneren drangen. Ich schloss die Augen und horchte....
"Hey, du! Hör auf hier zu träumen und mach die Augen auf Bohnenstange!"
Irritiert legte ich die Stirn in Falten, ließ allerdings die Augen weiterhin geschlossen. Entweder erlaubte sich der Dämon in mir einen schlechten Scherz oder-
Die kalte Klinge die sich plötzlich an meinen Hals drückte erübrigte mir den Satz zu ende zu denken.
Ich ließ die Hände von meinen Ohren sinken und hob langsam die Lider womit ich meine bedrohlich leuchtenden Augen enthüllte.
So wie der Rest der Stadt waren auch die drei Schurken die sich vor mir aufgebaut hatten nicht sonderlich beeindruckt oder sahen vielleicht nicht genau genug hin.
"Sind wir endlich fertig mit dem Schläfchen? Na dann können wir ja jetzt unsere Arbeit tun.", meinte der der mir die Klinge an den Hals hielt, ein zerlumpter, annähernd zahnloser, ungewaschener und dazu noch sehr unverschämt spöttisch klingender Zwerg dessen Arm gerade hoch genug reichte um mich mit seinem Werkzeug zu bedrohen. Seine beiden Kameraden unterschied da nicht viel, bis vielleicht auf die Körpergröße und der ein oder anderen genähten Narbe, was allerdings der Ästhetik nicht wirklich zu gute kam.
Soviel zu 'Nach Narben trachten, Weiber schmachten'.
"Ich wüsste nicht was ihr von mir wollen könntet", sagte ich und tat unwissend was ihre Definition von 'Arbeit' anging, fixierte allerdings den Dolch der mir an den Hals gepresst wurde mit großer Vorsicht.
"Du siehst aus als wärst du so'n reicher Pinkel, einer von der Sorte der sein Geld nur so auf die Straße wirft."
Ich verzichtete darauf ihn darüber aufzuklären dass ich das heute schon hinter mir hatte und er mich am besten Morgen noch einmal aufsuchen sollte.
Stattdessen lächelte ich spöttisch und legte eine Hand an den Schafft des Dolches und seine Hand die ihn umklammerte.
Kaum war dies geschehen zeigten zwei weitere Waffen auf mich. Das Gefolge des Zwergbandits hatte sich links und rechts von mir postiert und war bereit zu zu stechen falls es notwendig war. Die Lage schien durchaus verzwickt.
Eigentlich hatte ich mir geschworen meine dämonischen Kräfte nicht zu nutzen, doch diesmal sah ich mich gezwungen meine erst kürzlich aufgestellte Regel schon das erste Mal zu brechen.
"Nimm deine Hand da weg und raus mit der Kohle oder du landest Kopf voraus in der Themse!"
"Fische sind eine furchtbar langweilige Gesellschaft.",erwiderte ich. Meine Finger schlossen sich noch fester um die Waffe und die Hand die sie führte. Ich spürte dass der Zwerg versuchte die Klinge fester in mein Fleisch zu pressen, doch sein entsetztes Gesicht verriet mir dass er bereits gemerkt hatte dass mein stählerner Griff eine Nummer zu hoch für ihn war.
"Was ist los Chefchen?",fragte einer der anderen beiden die mit verwunderten Blicken signalisierten dass sie das plötzliche Zögern und der starre Ausdruck des Zwerges sie durchaus etwas aus dem Konzept brachte.
"Ich kann nicht zustechen...! Er hält meinen Arm fest!"
Ich senkte meinen Kopf zu dem Jäger hinunter der in absehbarer Zukunft wohl selbst ein gejagter sein würde.
"Erst werde ich dir jeden einzelnen Knochen brechen bis deine Hand nur noch ein schwabbeliges Stück Frischfleisch ist und danach werde ich sie zu Gehacktem verarbeiten. Du wirst wunderbares Futter für meine Bluthunde abgeben, meinst du nicht?" Ich konnte die Panik zwischen dem Gestank der Straße und dem Angstschweiß durchaus wahrnehmen und grinste raubtierhaft. Die Augen meines Opfers wurden von einem Moment zum anderen immer größer und als ich seine Hand noch einmal eine Spur heftiger zusammen drückte ließ er einen Schmerzensschrei laut werden. Sofort sah ich aus den Augenwinkeln die Bewegungen der anderen beiden die endlich aus ihrer Starre erwacht zu sein schienen und mit erhobenen Klingen auf mich zusprangen. Dem ersten Angriff konnte ich locker ausweichen, dabei musste ich selbst einen Schritt zur Seite machen und meine Geisel los lassen. Der zweite Angreifer streifte meinen Arm mit seiner Klinge. Es war nur ein kurzer, schwacher Schmerz aber trotzdem ließ ich mich kurz ablenken und sah auf den Riss in meinem Mantel und spürte wie sich warmes Blut in der kleinen Wunde sammelte. Dieser eine Moment genügte um mich nach hinten zu stoßen, tiefer in die menschenleere Gasse hinein. Zu meinem Pech stolperte ich über eine umgestoßene Kiste die mitten im Weg lag und landete mit allen Vieren auf den harten Pflastersteinboden.
Diese Wendung irritierte diesmal mich. Wie konnte ich mich so hinters Licht führen lassen?
"Jetzt fährst du zur Hölle du Bastard!", schrie der Zwerg und stand mit seinen beiden Kameraden genau über mir, alle drei die Dolche bereit zum Zustechen. Ich würde meine Arme benutzen müssen um sie alle abzuwehren, daran bestand kein Zweifel. Meine Muskeln spannten sich knapp bis zum zerreißen , bereit um auf jede schnelle Bewegung reagieren zu können.
Doch wie es nun mal so ist: Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.
Ich hörte Schritte hinter mir. Auch die drei Banditen nahmen sie wahr, ließen ihre Waffen sinken und Zwerg lachte mit einem Mal hässlich und laut auf.
"So was, heute muss unser Glückstag sein!"
Ich vergewisserte mich noch einmal dass alle Gesichter von mir abgewandt waren, dann drehte auch ich den Kopf nach hinten.
Mit 'Glückstag' meinte der Zwerg einen weiteren edel aussehenden Mann der eben irgendwo hinten in der Gasse um die Ecke gegangen war. Seine Gestalt wirkte nicht weniger sonderbarer als meine, zumindest wenn man es oberflächlich betrachtete.
Der Herr kam auf uns zu gelaufen, in der einen Hand einen Gehstock dessen oberes Ende mit einem filligran verzierten, behörnten Drachenkopf ausgechmückt war, die andere Hand hinter dem Rücken. Sein Gang war aufrecht, seine Schritte elegant ebenso wie seine Garderobe. Ein schwarzer Zylinder mit einer tief ins Gesicht gezogenen Krempe verdeckte dieses fast komplett, sein edel ausgearbeiteter Anzug war feuerrot mit zierlichen, weinfarbenen Mustern die von geschickten Fingern mit in den Stoff eingewoben waren. Ich konnte lange weiße Haare erkennen die Spinnenfäden ähnlich das spitze Kinn umrahmten. Seine langen Finger zierten ebenso weiße Stoffhandschuhe und irgendwie erinnerte er mich dadurch an einen Straßenzauberer der Kartentricks vorführte und Kaninchen aus dem Hut zauberte.
Obwohl er ganz genau gehört haben musste was der Zwerg gesagt hatte und die Situation so oder so mehr als offensichtlich sein musste machte er nicht kehrt sondern blieb erst stehen als er fast genau vor mir stand.
"Guten Tag meine Herren."
Die Stimme des Gentleman klang freundlich, sanft aber keinesfalls so als würde er nicht wissen dass ihm dieses Pack keinesfalls wohl gesonnen war. Er schob die Krempe seines Zylinders ein wenig hoch und ich konnte von unten zwei rot leuchtende Pupillen in schmalen, mandelförmigen Augen erkennen. Irgendwie beschlich mich ein sonderbares Gefühl als er mit seinem schmalen, ebenso weißen Gesicht auf mich hinunter sah. Etwas sagte mir...dass er kein Mensch war, und das er nicht zufällig hier abgebogen war. Ich hielt seinem Blick mit meinen starr auf ihn gerichteten Augen stand, stutzte dann allerdings etwas als er mir zuzwinkerte und dabei verschwörerisch grinste.
"Ich konnte nicht umhin euer lautes Gespräch mit anzuhören, entschuldigt mich."
Der Zwerg ging eilig an mir vorbei und bedrohte nun meinen freiwilligen 'Retter' (natürlich wäre ich auch ohne ihn klar gekommen) mit seinem Dolch in der leicht ledierten Hand.
"Hör mal zu du bleichgesichtiger Snob, man stört andere nicht bei ihren Geschäften!"
"Oh, das wollte ich auch gar nicht."
"Na dann mach das du wegkommst! Und wenn du den Wachen was flüsterst landest du neben ihm auf dem Acker!" ,prophezeite einer der Handlanger des Zwerges. Der Gentleman hob beschwichtigend die freie Hand.
"Ihr missversteht mich leider völlig! Ich bin hier um das Geschäft abzuschließen." Drei Augenpaare und meines waren verblüfft auf ihn gerichtet und sahen dabei zu wie er aus der Brusttasche seines Anzuges ein Säckchen zog.
"Hier, das dürfte genug sein." Er drückte den prall gefüllten Lederbeutel seinem Gegenüber in die Hand der sogleich die andere mit dem Dolch senkte. Ich beobachtete wie so oft in letzter Zeit die verblüffende Wirkung des glänzenden Edelmetalles auf die menschliche Rasse. Misstraurisch öffnete der Zwerg den Beutel und befühlte die Münzen , schien sie als echt zu identifizieren und steckte sie unter seine Gewandung. Anschließend warf er noch einen befehlenden Blick zu seinen zwei Komplizen die sich von mir entfernten und an seine Seite traten. Der Gefahr entronnen richtete ich mich wieder zu meiner vollen Größe auf und zog meine Kapuze tief ins Gesicht. Der fremde Gentleman musterte mich mit einer Mischung aus Faszination und Gelassenheit die für Opfer eines Überfalls nicht wirklich selbstverständlich war. Die drei Banditen murmelten noch etwas untereinander, dann verschwanden sie ohne mir oder dem Fremden noch weiter Beachtung zu schenken in die andere Richtung auf die Hauptstraße, irgendwo unter der Masse der herum eilenden Menschen.
"Puh, das war knapp." Der Fremde fächelte sich mit einer Hand Luft zu. Noch immer schien er völlig Sorglos und nicht ein kleines bisschen erregt über den Verlust einer ganzen Menge Geld.
"Warum habt ihr mir geholfen?" ,fragte ich und musterte dabei noch einmal argwöhnisch seine ,im Gegenteil zu meiner, schmächtige Gestalt.
"Ich hab nun mal Mitleid mit Zugereisten die sich gleich im übelsten Viertel von London zur Zielscheibe machen.",antwortete er und zwinkerte mir noch einmal zu.
"Das East End ist nicht nur bekannt für seine hübsche weibliche Gesellschaft, mein Freund." Er senkte die Stimme und grinste mich dabei vielsagend an.
Ich hob eine Augenbraue und verfinsterte meinen Blick.
"Ich danke euch für eure selbstlose Hilfe, aber auf einen Fremdenführer kann ich verzichten.",murmelte ich so freundlich wie es meine leichte Gereiztbarkeit zuließ.
"Oh,ich danke Ihnen!" Das Lächeln des Gentlemans wurde breiter.
Ich verstand nicht ganz worauf er hinaus wollte, nickte nur stumm und drehte mich in die Richtung um aus der ich gekommen und in diesen Schlamassel geraten war.
"Seid ihr noch länger hier in der Stadt?" , fragte er und stellte sich mir eilig in den Weg. Meine Augen verengten sich zu Schlitzen, er lächelte mich aber unbesonnen weiterhin an.
"Warum wollt ihr das wissen?"
Er zuckte mit den Schultern.
"Ich bin einfach neugierig. Außerdem kenne ich mich mit der Stadt und ihren Bewohnern sehr gut aus, und euch habe ich noch nie hier gesehen. Seid ihr auf der Durchreise?"
"So könnte man es sagen." ,murmelte ich nachdem ich in Gedanken abgewogen hatte wie weit meinem Gegenüber vom Anschein her zu trauen war.
-"Und, wie gefällt euch London?"
-"Nun...bis auf den Zoll, ein Gasthaus und diese Gasse habe ich noch nichts hier genauer besichtigt..."
Der Fremde lachte auf. "Ach was? Dann habt ihr wohl eher einen schlechten Eindruck von dieser Stadt gewonnen. Dabei hat sie soviel schönes zu bieten."
Ich wurde dass Gefühl nicht los dass dieser Kerl irgendetwas bestimmtes von mir wollte.
"Das macht mir nichts aus. Ich werde sowieso nicht mehr lange bleiben denke ich."
Er seufzte, machte aber keinen besonders niedergeschlagenen Eindruck. "Das ist Schade...aber ihr werdet eure Gründe haben."
"Und davon einige." ,dachte ich und hätte gerne die Augen verdreht wenn ich noch welche besessen hätte.
"Darf ich euch noch eine Empfehlung aussprechen?"
Ich sah ihn fragend an und er ging lächelnd und mich zu sich winkend zur großen Hauptstraße.Ich zögerte noch kurz, dann folgte ich ihm. Am Rand des Tumults blieb der Fremde stehen und deutete auf eine schmale Gasse auf der anderen Seite, die mir vorhin im Eifer der Flucht gar nicht aufgefallen war.
"Seht ihr sie?"
"Wen?" Ich kniff die Augen zusammen und versuchte herauszufinden was der Gentleman meinte.
"Na die Tür."
Ich fixierte den schmalen Spalt zwischen den zwei hellen Gebäuden und versuchte in ihrem Schatten dass zu erkennen was da sein sollte. Meine dämonischen Augen waren solange auf das Dunkel gerichtet bis ich trotz der Entfernung haargenau die winzige, stark verwitterte Holztür entdeckte. Sie war mit zwei Brettern oben und unten vernagelt und abgestellter Unrat und Müll verdeckte sie teilweise.
"Es fällt einem kaum auf wenn man es nicht gezeigt bekommt, nicht wahr?", fragte der Fremde und wieder schien ihm irgendetwas an mir zu faszinieren.
Ich nickte nur stumm, blieb allerdings recht unbegeistert.
"Was sollte daran empfehlenswert sein?",fragte ich argwöhnisch und bekam langsam das Gefühl dass der Herr hier mich irgendwie in die Irre führen wollte. "Ist dass auch eine dieser berühmten Gassen des East Ends?"
Er schenkte meinem letzten Satz ein seltsames Lächeln und nickte.
"Oja, sie erfreut sich einer großen Beliebtheit. Allerdings nur unter Kennern die einer besonderen Art angehören."
"Ich glaube nicht dass ich zu dieser Art gehöre...",murmelte ich und sah mich bereits nach dem Rückweg zu 'Corvus & Noctuas Tavern' um.
Der Fremde runzelte die Stirn, behielt sein Lächeln jedoch weiter bei.
"Seid ihr denn kein Dämon?"
Ich erstarrte.
Die Menschen gingen an uns beiden vorbei und schienen uns nicht wahrzunehmen, denn niemand würdigte uns in dem Tumult eines Blickes. Ich überlegte einen Moment einfach weg zu gehen und nichts dazu zu sagen, bis mich ein Gedanke überkam der schon irgendwo tief in mir gelauert haben musste. Ich wandte mich wieder zu dem geheimnisvollen Fremden.
"Seid ihr denn einer?" ,fragte ich so gelassen wie es mir möglich war , doch meine Stimme hatte einen fröstelnden Unterton.
Seine roten Augen fixierten mich und blitzten kurz auf wie eine flackernde Feuerzunge.
"Wer weiß." Seine Stimme war nur noch ein Hauch, doch ich konnte sie trotzdem ganz genau hören. Der Rest der Welt um uns herum war weg geschalten, nur noch ein waberndes Grau in Grau und die verschiedenen Geräusche hatten sich in ein leises, hintergründiges Surren verwandelt. Ich hörte das Blut durch mich hindurch rauschen , es geriet in Wallung als würde etwas das Monster in mir zum aufwachen animieren wollen. Unsere beiden Blicke hingen aneinander, ein Austausch von stummen Gedanken, eine unkontrollierbare Telepathie schien von statten zu gehen. Vor meinem geistigen Auge definierte sich die exakte Antwort auf meine Frage.
Vor mir stand tatsächlich ein weiterer Vertreter der Rasse aus dem fruchtbaren Grund der Hölle. Das rot seiner Augen brannte sich in mein Gedächtnis ein, nach einer Weile schloss ich meine Augen und erkannte immer noch das rote Leuchten auf der Innenseite meiner Lider. Der Geräuschmischmasch aus dem Hintergrund wurde in kurzer Zeit wieder das gleiche laute Stimmengewirr wie vorhin und auch die Welt um uns herum schien wieder present zu sein.
Die Mundwinkel des Fremden zuckten nach oben.
"...hier in London gibt es viele Winkel und Gassen die wohl mehr für Dämonen geschaffen sind als für Menschen. Wenn ihr noch fragen habt, dann schaut doch nachts mal hier vorbei."
Er wandte sich von mir ab und ging davon, die freie Hand winkend nach oben gereckt.
Ich sah dem umheimlichen Kerl so lange nach bis er komplett aus meinem Sichtfeld verschwunden war.
Ich spürte ein leichtes Beben unter meinen Füßen und stützte mich an einer Hauswand ab. Das Blut wurde noch unruhiger in meinen Adern, die Sinne geschärft bis ich selbst das kleinste Ungeziefer durch die Ritzen im Pflasterstein der Straße krabbeln sehen konnte. Eine Kolonie von Käfern machte sich vor der schmalen Gasse über den Kadaver einer von einer Katze erlegten Maus her und würde sie zersetzen bis nichts mehr übrig war.
Ohne es wirklich zu wollen fuhr meine rechte Hand zu dem verletzten Arm an dem der Kratzer leicht blutete. Die Finger glitten unter den darüber hängenden Stoff des Mantels, strichen einmal über die winzige Wunde und kamen wieder hervor, an den Spitzen dunkelrot, sogar fast schwarz verfärbt.
Mit einem Mal überfiel mich wieder die Lust.
Die Lust zu töten.